freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
gleichermaßen absurd erschien, wie sie ihn mit einem Gefühl noch absurderer Scham erfüllte. Urd hatte ganz offensichtlich die Wahrheit gesagt, als sie behauptet hatte, dass solcherlei Dinge bei den Frauen ihres Volkes etwas anders waren … oder sie eben eine Hexe sei.
Das Unheimlichste war vielleicht die Intensität der Erinnerung. Sie war verschwommen, als hätte er alles im Fieber erlebt oder einem starken Rausch, zugleich aber von einer Gewissheit, die keinerlei Zweifel zuließ. Er musste nicht einmal die Augen schließen, um ihre warme Umarmung noch einmal zu spüren, und ihre Küsse brannten noch immer auf seinen Lippen. Auch wenn er nahezu passiv geblieben war, weil sie darauf bestanden hatte, dick und hässlich zu sein und seine Hände festgehalten hatte, damit er sie nicht berührte, so war ihre Umarmung doch von einer Intensität und Tiefe gewesen, wie er sie nie zuvor erlebt hatte.
Er spürte selbst, dass er schon viel zu lang dastand und das Lager anstarrte, drehte sich mit einem Ruck weg und konnte gerade noch ein verlegenes Räuspern unterdrücken, als er Gundris Blick begegnete. Er fragte sich, ob sie wusste, was in der vergangenen Nacht hier geschehen war, doch es war unmöglich, in ihrem Gesicht zu lesen.
Wenn nicht, dachte er spöttisch, dann würde sie es sich spätestens dann denken können, wenn er noch länger hier herumstand und mit den Füßen scharrte wie ein nervöser Knabe nach seinem ersten Mal.
»Kannst du mich zu ihr bringen?«, fragte er.
»Zur Hohepriesterin?«
»Urd, ja.«
Gundri ließ sich nicht anmerken, ob sie sich bei dieser Verbesserung etwas dachte oder nicht, schien aber nicht ganz sicher zu sein, wie sie antworten sollte.
»Ich … kann gerne gehen und nachfragen, ob –«
»Bring mich hin«, sagte er harsch.
Etwas in ihrem Lächeln erlosch, und das tat Thor sehr leid; aber immerhin widersprach sie nicht noch einmal, sondern nickte nur sehr tief und jetzt eindeutig demütig, machte einen Schritt rückwärts aus der Kammer hinaus und bedeutete ihm mit einer noch demütigeren Geste, ihr zu folgen. Sein schlechtes Gewissen meldete sich schon wieder, sie genau auf die Art behandelt zu haben, auf die er es eigentlich am allerwenigsten gewollt hatte; aber immerhin war es gut zu wissen, dass es funktionierte.
Ohne ihre Führung hätte er sich vermutlich schon nach wenigen Schritten verirrt, denn es gab kein Licht. Gundri musste entweder über die scharfen Augen einer Katze verfügen oder diesen Weg schon so oft gegangen sein, dass sie ihn auch in völliger Finsternis fand. Aber er spürte auch jetzt, dass sein erster Eindruck richtig gewesen war: Sie befanden sich nicht einfach nur in einem Keller, sondern so tief unter der Erde, dass man das ungeheure Gewicht von Felsen und Erdreich spüren konnte, das auf ihnen lastete; wie etwas Unsichtbares, das ihnen das Atmen schwer machte.
Die vollkommene Dunkelheit hielt nicht allzu lange an, aber immerhin lange genug, um ihm klarzumachen, warum man ihn hierhergebracht hatte: Sverig hätte auch eine ganze Armee aussenden können, um nach ihm zu suchen, ohne dass sie auch nur die geringste Chance gehabt hätten, ihn auch tatsächlich zu finden.
Als das Licht zurückkehrte, war es wieder flackernder roter Fackelschein, der am anderen Ende einer ebenso langen wie steilen Treppe über ihnen auftauchte. Die Luft roch leicht verbrannt, und obwohl er weder etwas sah noch das mindeste verräterische Geräusch hörte, spürte er doch, dass sie nicht mehr allein waren.
Schließlich betraten sie wieder den unterirdischen Tempel. Er war leer. Eine einzige, fast heruntergebrannte Fackel verbreitete gerade genug Licht, um zu sehen, wohin sie ihre Füße setzten. Der Altar mit der barbarischen Stele war noch immer da, doch in den Kohlebecken brannte jetzt kein Feuer mehr, sodass die steinerne Säule zu einem bloßen Schatten wurde, wodurch sie aber eher noch unheimlicher wirkte. Er musste seine Fantasie wirklich nicht mehr besonders anstrengen, um dahinter noch andere und dunklere Schatten zu vermuten, die lautlos Gestalt anzunehmen versuchten.
Stimmen und ein neuer, angenehmer Geruch schlugen ihnen entgegen, als sie sich Urds Gemach näherten, und er glaubte ein Lachen zu hören, doch als er gebückt durch die niedrige Tür treten wollte, vertrat ihm eine Gestalt mit goldenem Gesicht den Weg, und Thor hätte im ersten Moment nicht sagen können, wer erschrockener war. Sie prallten beide gleichermaßen heftig zurück, und Thor konnte
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