freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
über die Augen und versuchte die Schatten mit Blicken zu durchdringen. Jemand bewegte sich, und für einen winzigen Moment kehrte sein Traum noch einmal zurück, und er glaubte Urd zu sehen.Aber die Stimme war zu jung und die Gestalt vielleicht nicht zu schlank, aber irgendwie zu … kindlich.
»Wie?«, murmelte er.
Das Rascheln wiederholte sich, und die Flammen schlugen höher, als eine doppelte Handvoll Reisig in die Kohlepfannen geworfen wurde.
»Ich wollte nur sehen, ob alles in Ordnung ist oder Ihr irgendetwas benötigt, Herr«, sagte Gundri.
Herr? Thor blinzelte noch einmal und versuchte, Traum und Wirklichkeit auseinanderzusortieren, hatte im allerersten Moment aber wenig Erfolg damit; allenfalls dass ihm klar wurde, dass Gundri eigentlich mit keinem von beidem etwas zu tun haben sollte.
Dann fiel ihm ein, dass das zumindest in einem Punkt nicht stimmte. »Du hast mich gefunden.«
Gundris Augen leuchteten vor Stolz auf. »Ja, das ist wahr«, antwortete sie. Im nächsten Moment fiel sie vor ihm auf die Knie und senkte das Haupt so tief, dass ihre Stirn fast den Boden berührte. »Ich wusste, dass Ihr es seid, Herr!«, sagte sie. »Niemand hat es zugegeben, aber ich habe es gleich gespürt. Ganz egal, was alle anderen auch sagen,Thor, ich habe Euch sofort erkannt!«
Thor sparte sich die Mühe zu fragen, was sie in ihm erkannt hatte, sondern fragte stattdessen: »Aber du hast mich gefunden und die anderen alarmiert?«
»Ihr wart bewusstlos, Herr.«
»Ich wäre gestorben, wenn du mich nicht gefunden hättest.«
Gundri schwieg.
»Aber Götter sterben nicht an einer Erkältung, oder?«
Gundri sah ihn mit fast verstörtem Blick an, aber dann lächelte sie unsicher. »Ja, die Hohepriesterin hat mir gesagt, dass Ihr genau so antworten würdet«, sagte sie.
Thor seufzte lautlos. Jedes weitere Wort in dieser Richtung war damit wohl überflüssig geworden.
»Sei so gut und steh auf«, sagte er nur. »Ich mag es nicht, wenn man vor mir kniet.«
Gundri sprang so schnell auf, dass sie fast das Gleichgewicht verloren hätte, hielt den Kopf aber weiter demütig gesenkt. »Wie Ihr es befehlt, Herr.«
»Und nenn mich nicht Herr.«
»Ganz wie Ihr wünscht, He … Thor.«
»Gundri, hör auf damit«, seufzte Thor. »Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann behandele mich genauso wie bisher.«
»Aber da wusste ich doch noch nicht –«
»Wer ich bin?«, unterbrach sie Thor. »Aber gerade hast du doch behauptet, du hättest es von Anfang an gewusst.« Er amüsierte sich einen Moment lang ganz unverhohlen über ihr ratloses Gesicht, stemmte sich dann ganz auf die Ellbogen hoch und erinnerte sich gerade noch rechtzeitig daran, dass er unter der Decke noch immer nichts trug. Statt ganz aufzustehen, bedeutete er Gundri mit einer unwilligen Geste, endlich mit ihrem unterwürfigen Gehabe aufzuhören. »Ich bin durstig«, sagte er. »Und gegen eine Kleinigkeit zu essen hätte ich auch nichts.«
»Es ist alles da«, sprudelte das Mädchen los. »Ich habe Wasser gebracht und Obst und Fisch. Ich kann Euch auch Wein holen, wenn Ihr –«
»Wasser reicht völlig«, fiel ihr Thor ins Wort. »Und nicht ›Ihr‹.«
»Ganz wie Ihr … ganz wie du willst, Thor.«
Thor war unschlüssig, ob er sich über ihr Benehmen amüsieren oder sich vielleicht doch lieber Sorgen machen sollte. Er war auch nicht ganz sicher, ob sie das alles wirklich ernst meinte oder sich insgeheim über ihn lustig machte.
»Und meine Kleider wären vielleicht ganz praktisch.«
»Ich hole sie«, sagte Gundri hastig und war schon im nächsten Moment verschwunden. Thor ließ noch ein paar Augenblicke verstreichen, dann stand er auf, wickelte sich die Decke um die Hüften und begann seine neue Umgebung zu erkunden.
Sehr viel gab es nicht zu sehen. Der Keller maß vielleicht fünf auf acht Schritte und war so gut wie leer. Die Wände aus schwerem Mauerwerk waren auch hier mit dem Staub von Jahrhunderten verkrustet, darunter aber glatt; es beruhigte ihn, wenigstens hier nicht von den unheimlichen Reliefarbeiten und Bildern angestarrt zu werden. Darüber hinaus gab es sein Lager, die beiden Kohlepfannen sowie eine Schale mit Wasser und eine zweite mit Obst und gepökeltem Fisch, sonst nichts; nicht einmal ein Fenster. Dennoch spürte er, dass sich dieser Raum tief unter der Erde befand.
Er stillte seinen Durst, indem er gut die Hälfte des Wassers trank, und benutzte den Rest, um sich gründlich das Gesicht zu waschen, dann aß er ein wenig von dem
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