freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
sagte sie traurig. »Diese Entscheidung ist längst gefallen. Das war sie schon, lange bevor wir hergekommen sind. Oesengard wird fallen, und das Einzige, was wir daran noch ändern können, ist die Frage, ob es einige wenige oder sehr viele Leben kosten wird.«
Sie sah ihn an und wartete auf eine Antwort. Als sie sie nicht bekam, streckte sie den Arm aus, um nach ihm zu greifen, doch Thor wich wieder um ein weiteres, winziges Stück vor ihr zurück, und sie ließ die Hand mit einem noch enttäuschteren Blick wieder sinken.
»Wir sind viel zu spät gekommen, um noch irgendetwas zu ändern«, sagte sie. »Meine Anhänger stehen bereit, die Macht hier in der Stadt zu übernehmen. Sie können es jetzt tun, und ja, vielleicht wird es ein paar Dummköpfe geben, die Widerstand leisten, und wahrscheinlich wird Blut fließen. Aber wie viel mehr Tote wird es wohl geben, wenn Bjorns Heer sich erst hier eingenistet hat und die Flotte eintrifft, um die Stadt mit Gewalt zu nehmen?«
Das Schlimme daran war vielleicht, dachte Thor, dass sie mit jedem Wort recht hatte. Die Wahl zwischen Krieg und Frieden hatten sie schon lange nicht mehr, höchstens die zwischen einem kurzen und schmerzhaften Auflodern von Gewalt und einem langen und grausamen Krieg, in dem Hunderte ihr Leben verlieren würden, vielleicht sogar Tausende?
Aber welches Recht hatte er, diese Entscheidung zu treffen?
»Ich möchte jetzt nicht darüber reden, Urd«, sagte er.
»Aber du –«
»Nicht jetzt!«
Zorn blitzte in ihren Augen auf, zusammen mit etwas Anderem und Unbekanntem, das ihn erschreckte, aber beides verschwand auch fast sofort wieder. »Du hast recht«, sagte sie. »Lass uns ein andermal darüber reden. Vielleicht morgen.« Sie räusperte sich unbehaglich. »Ich habe dich noch gar nicht gefragt, wie es dir geht.«.
»Ich dachte, das wüsstest du«, antwortete er.
Er konnte ihr ansehen, dass sie mit dieser Antwort nicht allzu viel anfangen konnte, aber dann tat sie sie nur mit einer Mischung aus einem Achselzucken und einem Kopfschütteln ab. »Dann hat die Medizin gewirkt, die ich dir geschickt habe?«
»Medizin?«
»Oh, keine Sorge«, versicherte sie hastig. »Nur ein leichter Kräutertrunk, der das Fieber senkt und dafür sorgt, dass du schläfst. Auch wenn es nach einer Binsenweisheit klingt, Schlaf ist tatsächlich oft die beste Medizin. Es scheint gewirkt zu haben.« Sie deutete ein Lächeln an. »Ich war nicht ganz sicher, ob sie die Mischung richtig hinbekommen würde, aber anscheinend ist es ihr ja gelungen. Wenigstens bist du schon wieder genauso starrköpfig wie vorher.«
»Sie?«, fragte Thor alarmiert. »Du sprichst von … Gundri?«
»Gundri?« Urd schüttelte den Kopf und bedachte ihn mit einem Blick, als hätte er etwas ziemlich Dummes gefragt. »Nein. Elenia.«
Thor starrte sie nur an. Elenia?
»Elenia«, bestätigte sie noch einmal. »Was ist daran so …« Dann verdüsterte sich ihre Miene. »Nein, du brauchst keine Angst zu haben, dass ich dir irgendetwas gegeben habe, um dich gefügig zu machen. Hätte ich das gewollt, dann wärst du es jetzt, und wir würden diese Unterhaltung nicht führen.«
»Aber du hast sie zu mir geschickt, nicht Gundri?«, vergewisserte er sich.
»Ja!«, erwiderte sie gereizt. »Warum fragst du das?« Urds Misstrauen war nun endgültig geweckt. »Ist irgendetwas –?«
»Ich war nur verwirrt«, unterbrach sie Thor. »Gundri hat mich vorhin geweckt, und ich … kann mich an nichts anderes erinnern, das ist alles.«
»Dann hat der Trank gewirkt«, stellte sie fest. »Elenia ist eine gelehrige Schülerin.«
»Ja«, murmelte Thor. »Das scheint sie wohl zu sein.« Er stand auf. »Ich werde mich bei ihr bedanken, sobald ich sie sehe. Aber jetzt lasse ich dich besser allein.«
»Weil ich einen so schrecklichen Anblick biete?«
»Weil du einen so müden Anblick bietest«, antwortete Thor. »Du hast zwar recht, und ich habe nur Erfahrung im Schädeleinschlagen und Knochenbrechen und nicht mit wirklichen Schmerzen, aber sogar ich weiß, dass du eine ziemlich harte Zeit hinter dir hast. Ruh dich ein paar Stunden aus. Wenn du wieder bei Kräften bist, reden wir über alles. Und außerdem möchte ich meine Tochter sehen.«
Elenia war nicht in dem winzigen Keller, den sie gemeinsam mit ihrem Bruder bewohnte. Gundri, die außer Hörweite gewartet hatte, hatte ihm den Weg gewiesen und sich ehrlich überraschtgezeigt, weder Elenia noch ihren Bruder vorzufinden, wohl aber einen mit Kissen und
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