freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
wusste wenig mehr als den Namen, aber immerhin hatte er in seiner Zeit als schlecht bezahlter Arbeiter in Sjöbloms Diensten mitbekommen, dass der Jarl von Oesengard ein eher sanftmütiger Mann war. Nicht wenige bezeichneten ihn auch als schwach. »Er ist nicht mein Jarl.«
»Wessen auch immer.« Barend fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen, spuckte Blut und Schleim aus und funkelte ihn mit einer Mischung aus Verwirrung und Zorn an – wobei der Zorn eindeutig überwog. »Was willst du? Dich überzeugen, dass es mir auch schlecht genug geht?«
»Eigentlich wollte ich nur mit dir reden«, antwortete Thor. »Aber ich könnte dir auch helfen.« Tatsächlich streckte er die Hand aus, um den Mann zu berühren und seinen Schmerz zu lindern, führte die Bewegung aber dann nicht zu Ende. Barend war nicht lebensgefährlich verletzt, und er war ein harter Mann. Vielleicht war es besser, doch noch das eine oder andere Geheimnis für sich zu behalten.
»Helfen? Nein, danke. Ich glaube, du hast mir schon genug geholfen.« Barend versuchte sich noch weiter aufzurichten, sog dann scharf die Luft durch die Nase ein und verzog das Gesicht, und ein sonderbar stiller Groll ergriff von Thor Besitz, als er sah, wie eng Sverig die Fußfessel angelegt hatte. Barends Knöchel war wund und blutig, und das Eisen schnitt in sein offen daliegendes Fleisch. Ohne auch nur darüber nachzudenken, beugte er sich vor und bog den eisernen Ring mit bloßen Händen weit genug auf, um den schlimmsten Druck zu lindern.
Barend seufzte erleichtert, sah aber zugleich auch fast bestürzt aus. »Danke«, murmelte er. »Aber bilde dir bloß nicht ein, dass wir jetzt quitt sind.«
Thor griff noch einmal nach dem Krug, und diesmal leerte ihn Barend mit gierigen Schlucken.
»Sind wir jetzt quitt?«, fragte er.
Barend schnaubte.
»Wie gesagt«, sagte Thor. »Ich kann dir helfen.«
»Wenn du das Kunststück da noch einmal wiederholst«, erwiderte Barend mit einer Kopfbewegung auf seine Fußfessel, »dann wäre das ein Anfang.«
»Und ziemlich dumm«, sagte Thor. »Was glaubst du, wie weit du in deinem Zustand kommen würdest?«
»Bis zu meinem Schiff«, grollte Barend. »Das ist weit genug.«
»Dein Schiff wird bewacht«, sagte Thor. »Und ich habe gehört, dass man die Ruder von Bord geschafft hat. Also nicht die besten Bedingungen, in See zu stechen.«
»Was willst du dann?«, fragte Barend.
»Dir ein Geschäft vorschlagen«, antwortete Thor. »Bist du interessiert?«
»Interessiert?«, wiederholte Barend mit einem säuerlichen Grinsen. »Ja, warum nicht? Geschäfte mit dir scheinen sich ja auszuzahlen.«
»Ich kann dir helfen, von hier zu entkommen«, sagte Thor ungerührt. »Wenn wir uns einig werden, sorge ich dafür, dass du dein Schiff zurückbekommst – mitsamt den Rudern – und von hier verschwinden kannst.« Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er das bewerkstelligen wollte, aber Barend verzog auch nur geringschätzig die Lippen.
»Du meinst, so wie ich es auch gekonnt hätte, wenn es dich nicht gäbe?«, fragte Barend.
»Ja.« Thor unterdrückte ein Lächeln.
»Und was verlangst du dafür?«
»Erzähl mir, was sie von dir wollten«, sagte Thor.
»Außer mich grün und blau zu schlagen und mir jeden zweiten Knochen im Leib zu brechen?« Barend grinste schief.»Nichts. Nichts jedenfalls, was ich ihnen geben konnte.« Er zog eine Grimasse. »Sie haben eine Menge Fragen gestellt, größtenteils über dich. Zu meinem Pech konnte ich die meisten davon nicht beantworten, und Fagan kam auf die Idee, seinen Fragen ein bisschen mehr Nachdruck zu verleihen. Dein Freund mit der Axt hat ihm dabei nach Kräften geholfen.«
»Über mich?«, vergewisserte sich Thor. »Was solltest du ihm über mich erzählen können?«
»Nichts«, antwortete Barend. »Aber der Freund mit der Axt war einfach nicht davon abzubringen, dass ich dir geholfen hätte zu entkommen.«
»Was du ja, genau genommen, auch hast«, sagte Thor. »Verrätst du mir, warum?«
»Es kam mir in dem Moment als eine gute Idee vor«, antwortete Barend. »Wie es jetzt aussieht, habe ich mich wohl geirrt.«
»Und sie haben nur nach mir gefragt?« Thor glaubte ihm kein Wort.
»Am Anfang«, behauptete der Kapitän jedoch. »Später hat Fargas dann angefangen, nach den Lichtbringern zu fragen. Das tut er schon seit dem ersten Tag.« Er zog die Nase hoch und wischte sich abermals das Blut vom Kinn, das aus seiner aufgeplatzten Lippe quoll. »Und ich kann ihm seine Fragen
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