freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
für einen Moment ein Gefühl trügerischer Sicherheit.
»Wo ist überhaupt der versprochene Sturm?«, nörgelte Barend.
»Den habe ich abgesagt«, antwortete er. »Aber ich kann ihn rufen, wenn dir das Meer zu ruhig ist, um hinauszufahren.«
Barend grummelte eine Antwort, die Thor vorsichtshalber nicht verstand, und ihm wäre auch keine Zeit geblieben, etwas darauf zu erwidern. Sie waren nur noch ein gutes Dutzend Schritte von der Windsbraut entfernt, als endlich auch der Posten die beiden nächtlichen Spaziergänger entdeckte.
»He, ihr da!«, rief er. »Wer seid ihr? Was habt ihr um diese Zeit hier zu suchen?« Er kam näher, nahm den Speer von der Schulter und rückte mit der anderen Hand seinen Helm zurecht. In der Dunkelheit blieb sein Gesicht unsichtbar, aber Thor erkannte seine Stimme. Der Mann hatte im Tal von Midgard nur drei Häuser neben ihm gelebt.
Thor wartete, bis er auf ein halbes Dutzend Schritte heran war, dann schlug er den Mantel zurück und legte die Handauf den Hammerstiel. Der Mann erstarrte mitten in der Bewegung.
»Ich glaube, du weißt, wer ich bin«, sagte er. »Und wir sind hier, um ein Schiff zu stehlen. Obwohl es streng genommen kein Diebstahl ist.« Er deutete auf Barend. »Schließlich gehört ihm die Windsbraut.«
Der Mann starrte ihn einfach nur an. Thor konnte sein Gesicht immer noch nicht erkennen, aber er konnte direkt spüren, wie sich die Gedanken des Mannes überschlugen. Er hatte seine Befehle, und Sverig war niemand, der großmütig darüber hinwegsah, wenn man sie nicht befolgte. Aber er kannte Thor, und er hatte mit eigenen Augen gesehen, wozu dieser imstande war. Schließlich siegte seine Vernunft: Er schleuderte seinen Speer kurzerhand ins Wasser und rannte davon, so schnell er konnte.
Barend sah ihm leicht verwirrt hinterher. »Warum lässt du ihn entkommen?«
»Hätte ich ihn töten sollen«, fragte Thor.
»Er wird die anderen alarmieren!«, sagte Barend; was ihm anscheinend lieber war, als seine Frage wirklich zu beantworten. »Er wird eine Weile brauchen bis zum Haus des Jarls und wieder zurück. Mit ein bisschen Glück reicht die Zeit. Komm!«
Sie stürmten weiter. Noch bevor sie die Windsbraut erreichten, erschien ein halbes Dutzend Schatten über der Bordwand.
Barend wollte etwas sagen, doch Thor kam ihm zuvor.
»Ihr wisst Bescheid!«, rief er laut. Vorsichtig zu sein war jetzt nicht mehr nötig. »Die Ruder sind im linken Lagerhaus. Beeilt euch! Und ein paar Mann an das Segel!«
Tief in sich hatte er noch Zweifel gehabt, aber die Schnelligkeit, mit der die Männer reagierten, machten ihm endgültig klar, dass Gundri seine Botschaft nicht nur überbracht hatte, sondern die Männer sie offensichtlich auch ernst nahmen. Ein halbes Dutzend von ihnen sprang auf die Kaimauer herab und verschwand im Laufschritt in Richtung des Lagerhauses, die anderen machten sich am Mast und dem gerefften Segel zu schaffen oder begannen mit anderweitigen hektischen Vorbereitungen.
»Bisher war ich der Meinung, die Windsbraut wäre mein Schiff«, sagte Barend.
»Dann geh an Bord und mach dich nützlich«, antwortete Thor. »Ich bleibe hier. Nur falls unsere Freunde doch schneller hier sind, als ich hoffe … oder wäre es dir umgekehrt lieber?«
Barend zog zwar eine Grimasse, beließ es aber auch dabei und setzte mit einem unsicheren Sprung auf das Deck der Knorr über, wo er sofort den Mantel abstreifte und seinen Männern half, das Segel zu hissen. Seine Bewegungen waren unsicher und fahrig, aber man sah ihnen zugleich auch an, dass er wusste, was er tat, und dasselbe galt auch für seine Männer. Sie mochten genauso abgerissen und wenig vertrauenerweckend erscheinen wie ihr Schiff, aber dieser Eindruck täuschte. Schnell und so gut wie lautlos wurden Taue gelöst und andere gespannt, und schon bevor die Männer mit den ersten Rudern zurückkamen, war das Segel gesetzt. Da es so gut wie windstill war, hing es schlaff und nutzlos von der Rahe, aber sollten sie Wind brauchen, das wusste Thor, dann würden sie ihn bekommen. Sturm, wenn es sein musste.
Die Männer eilten zum zweiten Mal davon, um auch noch die restlichen Ruder zu holen, und die Tür des Gasthauses ging auf. Ein Schatten erschien unter dem von rotem Licht erhellten Rechteck und erstarrte dann mitten in der Bewegung, als ihm aufging, dass hier irgendetwas nicht so war, wie es sein sollte.
»Beeilt euch!«, rief Thor.
Nicht dass es nötig gewesen wäre. Was immer die Männer taten – Thor war kein
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