freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
Bewegung, wie einen ersten, noch zögernden Schritt. Mit einem saugenden Laut löste sie sich endgültig von der Kaimauer und glitt in das Hafenbecken hinaus.
»Das war knapp!« Barend trat schwer atmend neben ihn und wischte sich mit dem Handrücken gar nicht vorhandenen Schweiß von der Stirn. Selbst im blassen Licht der Sterne war zu erkennen, wie bleich und krank er aussah. Trotzdem feixte er, als wäre ihm gerade ein ganz besonders guter Streich gelungen.
Thor nickte bloß. Sie waren noch nicht in Sicherheit. Die Windsbraut glitt schneller werdend vom Ufer weg, als die Männer allmählich in ihren Takt fanden, aber es war eindeutig zu früh, um aufzuatmen. Es war alles zu leicht gegangen, das sagte ihm nicht nur das tief sitzende Misstrauen des Kriegers in ihm, sondern schon sein gesunder Menschenverstand. Aber das Ufer blieb leer, und nur noch wenige Ruderschläge, und sie waren weit genug auf dem Wasser, um auch vor Pfeilen oder anderen Wurfgeschossen in Sicherheit zu sein.
Das Segel spannte sich mit einem Knall über ihren Köpfen, von einer zweiten, noch heftigeren Windböe getroffen, die genau wie ihre Vorgängerin aus dem Nichts zu kommen schien, und das Schiff wurde noch einmal spürbar schneller. Die Taue waren jetzt so straff gespannt, dass sie wie die Saiten einer Laute zu summen begannen, und die Männer legten sich mit aller Kraft in die Riemen. Wäre die Windsbraut eine Drakkar gewesen, schnittiger als die schwerfällige Knorr und mit voll bemannten Ruderbänken auf beiden Seiten, dann hätte sie die Hafenausfahrt jetzt wahrscheinlich schon erreicht.
An dem Gedanken war etwas Wichtiges, was er übersehen hatte und das sich ihm auch jetzt nicht sofort erschließen wollte. Aber es war wichtig, vielleicht entscheidend.
Sein Blick glitt über das Dutzend Männer, die mit verzweifelter Kraft um ihr Leben ruderten, verharrte einen Moment lang auf den sonderbar symmetrischen Mustern, die ihre Ruderschläge ins schwarze Wasser des Hafenbeckens malten und sofort wieder zerstörten, um sie durch neue zu ersetzen, und wanderte dann über die Wellen hinweg zum Umriss des zweiten Schiffes hin, das seit gestern Morgen hier im Hafen lag. Es war eine Drakkar, in besserem Zustand und gut anderthalb Mal so lang und mit der doppelten Anzahl von Rudern. Sie hatte einStück weiter zur Hafeneinfahrt hin Halt gemacht und lag mit dem Heck zur Kaimauer da, sodass der geschnitzte Drachenkopf an ihrem Bug auf das offene Meer hinausblickte. Sonderbarerweise hatte die Mannschaft darauf verzichtet, die Ruder einzuziehen, sodass das Schiff fast wie ein ins Riesenhafte vergrößerter Wasserkäfer aussah, der mit gespreizten Beinen nur auf das Signal zum Loslaufen wartete.
Und irgendwie stimmte dieser Vergleich auch, dachte Thor grimmig.
Auf eine fast absurde Art war er geradezu erleichtert, Bjorn doch richtig eingeschätzt zu haben. Seine Hand schloss sich um Mjöllnir und lockerte sich dann wieder. Die Entfernung war noch zu groß.
Sein Blick tastete über die Flanke des still daliegenden Schiffes. Die Männer waren gut, das musste er gestehen. Keine Bewegung, kein verräterisches Geräusch, nicht einmal das Schimmern eines verirrten Lichtstrahls auf Metall verriet ihre Anwesenheit. Aber jetzt, wo er ahnte, dass sie da waren, konnte er sie fühlen. Die Mischung aus Furcht, angespannter Erwartung und Jagdfieber lag wie das Knistern eines unsichtbaren Gewitters in der Luft.
»Nicht, dass Ihr glaubt, ich wäre unverschämt, Herr«, meldete sich Barend zu Wort, ächzend vor Anstrengung und zwischen zwei Ruderschlägen, »aber wir hätten da noch einen Platz am Ruder frei.«
Thor sah die größere Drakkar zwar unverwandt an, antwortete aber trotzdem. »Ich bin als Passagier an Bord, hast du das vergessen?«
»Aber das entspricht nicht unserer Abmachung«, ächzte Barend, indem er sich erneut mit aller Kraft gegen das Ruder stemmte.
»Wie wahr«, seufzte Thor. »Aber du bringst mich auf eine Idee.« Und damit schleuderte er den Hammer.
In der Dunkelheit war Mjöllnirs Flug nicht zu sehen, das, was er am Ende des lang gestreckten Bogens anrichtete, dafür umso deutlicher.
Selbst Thor war überrascht, obwohl er all seine Kraft in den Wurf gelegt hatte, als die Ruder wie in einer bizarren Kettenreaktion hintereinander zersplitterten, von dem noch immer unsichtbaren Hammer getroffen und dicht an der Bordwand gekappt. Ein Chor gellender Schmerz- und Entsetzensschreie mischte sich in das peitschende Knallen zerberstender Ruder,
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