freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
zweiter nachtschwarzer Schatten mit poliertem Gefieder zu seinem Bruder gesellte. »Sie werden uns den Weg weisen.«
Nun war er also endgültig in einer Welt der Magie und des finsteren Zaubers gestrandet. Er folgte einem Tier, und die beiden Männer, denen er sein Leben verdankte und die sich ohne Zögern auch jetzt noch für ihn opfern würden, gehörten zu denen, die er noch vor einem Augenblick für seine Todfeinde gehalten hatte.
Weder das eine noch das andere spielte noch irgendeine Rolle. Alles, was noch zählte, war, Elenia und Lif zu finden und sie von hier wegzuschaffen, und danach …
Nun, es war genau so, wie Urd gesagt hatte: Nichts hatte sich geändert. Er würde die Stadt verlassen und an einen Ort gehen,an dem er Frieden fand oder wenigstens Ruhe. Irgendwo musste es ihn geben, und wenn er bis ans Ende der Welt wandern musste, um ihn zu finden.
»Sie sind hier entlanggekommen.« Urd machte eine Kopfbewegung die Straße entlang und fügte noch eine bekräftigende Geste mit beiden Händen hinzu, aber sie sah nicht so zufrieden aus, wie sie es nach dieser Erkenntnis sollte, fand Thor. Eher wirkte sie besorgt.
»Aber?«, fragte er.
Urd setzte zu einer Antwort an, doch dann huschte ein Schatten über ihr Gesicht, und sie beließ es bei einem abgehackten Kopfschütteln. Sie hatte etwas erfahren, was ihr Sorge bereitete, wollte aber nicht darüber reden.
»Nichts. Komm.«
Nebeneinander eilten sie los. Die beiden Einherjer, die wieder zu bloßen Schatten geworden waren, folgten ihnen in wenigen Schritten Abstand, und über ihnen glitten zwei andere Schatten am Himmel entlang, lautlos und nur dann wirklich sichtbar, wenn ihre ausgebreiteten Schwingen die Sterne verdeckten oder an der knochenbleichen Scheibe des Mondes vorbeihuschten. Urd blieb immer wieder stehen, um zu lauschen, und ein- oder zweimal hielten sie auch ganz an und gingen erst dann weiter, nachdem einer der Einherjer vorausgeeilt war und den Weg erkundet hatte.
Vor ihnen lagen nur noch einige wenige Häuser und eine von nur drei Straßen, die aus dieser als harmlose Stadt verkleideten Festung hinausführten. Sie hatten Zeit verloren, dachte er besorgt, zu viel Zeit, und Thors Beunruhigung wuchs mit jedem Moment, der verging. Elenia und der Junge konnten längst tot sein.
Dennoch zögerte Urd weiterzugehen, als der Einherjer das nächste Mal zurückkam und sie ein paar Worte mit ihm gewechselt hatte. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war noch besorgter geworden.
Thor wollte eine entsprechende Frage stellen, doch sie gebot ihm mit einer raschen Geste, still zu sein, legte lauschend denKopf auf die Seite – und griff dann plötzlich mit beiden Händen zu, um ihn in einen Schatten zu zerren.
Kaum hatte sie es getan, da wurden Hufschläge hinter ihnen laut, und ein halbes Dutzend Reiter sprengte die Straße herauf. Einen Herzschlag lang war Thor felsenfest davon überzeugt, dass sie sie einfach sehen mussten, denn der Schatten bot keinen wirklichen Schutz, und tatsächlich ritt einer von ihnen so nahe an ihrem improvisierten Versteck vorbei, dass er den scharfen Schweiß des Pferdes riechen konnte. Mondlicht brach sich auf der Schneide der gewaltigen Doppelaxt, die der Mann auf dem Rücken trug, und es war, als rucke Mjöllnir an seinem Gürtel, wie um dagegen zu protestieren, dass er nicht gezogen und nach dem verhassten Gegner geschleudert wurde.
Der Trupp erreichte das Ende der Straße und hielt dann auf einen Befehl Sverigs hin so abrupt an, dass sich eines der Pferde aufbäumte und um ein Haar seinen Reiter abgeworfen hätte.
»Verteilt euch!«, befahl Sverig. »Gebt acht, dass sie die Stadt nicht verlassen! Und bringt mir den Kopf der Hexe! Ein Goldstück für den, der mir ihre Leiche bringt!«
»Ein interessanter Vorschlag«, flüsterte Urd. »Ich werde ihn daran erinnern, wenn wir uns das nächste Mal begegnen. Mir fällt bestimmt etwas ein, was man mit einem Goldstück anstellen kann.« Sie überlegte. »Vielleicht schmelze ich es und lasse es ihn trinken.«
Thor sagte nichts dazu, aber er dachte noch einmal dasselbe, was Urd vorhin gesagt hatte: Nichts hatte sich geändert – bis auf eine Kleinigkeit vielleicht. Er würde gehen, aber ohne sie. Hatte er diese Frau wirklich jemals geliebt, oder war es wirklich so, wie Elenia behauptet hatte, und er war von Anfang an nur Opfer von bösem Zauber und Ränkespiel geworden?
Die Reiter verteilten sich. Sverig selbst sprengte in Begleitung eines zweiten Mannes einfach geradeaus
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