freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
waren, und das gerade noch rechtzeitig, um Zeugen einer fast schon unheimlichen Szene zu werden:
Urd stand hoch aufgerichtet in der Mitte des Hofes und hatte den rechten Arm ausgestreckt, auf dem sich ein schwarzes Ungeheuer mit Flügeln aus geschliffenem Eisen niedergelassen hatte. Thor konnte sich des unheimlichen Gefühles einfach nicht erwehren, dass das Tier irgendwie … mit ihr sprach.
Obwohl er sich sehr leise bewegt hatte, musste der Vogel ihn gehört haben, denn noch bevor er den ersten Schritt in den Hof ganz zu Ende getan hatte, breitete der Rabe die Schwingen aus und schwang sich mit einem ärgerlichen Krächzen in die Luft. Auch Urd fuhr herum und sah für den Bruchteil eines Herzschlags eindeutig ertappt aus, dann füllten sich ihre Augen mit schwarzem Zorn, so schnell und rauchig, als hätte jemand schwarze Tinte in klares Wasser gegossen.
»Was soll das?«, fauchte sie. »Ich hatte dir befohlen, auf ihn –«
Thor brachte sie mit einer ärgerlichen Geste zum Schweigen und registrierte erst danach, dass weder ihr Zorn noch die scharfen Worte ihm galten, sondern dem Einherjer. »Es ist nicht seine Schuld«, sagte er. »Ich habe ihm befohlen, mich zu dir zu bringen.«
»Das gibt ihm noch lange nicht das Recht –«, begann Urd aufgebracht, riss sich dann zusammen und senkte mit übertriebener Demut den Kopf. »Natürlich, Herr«, sagte sie. »Verzeiht.«
Das ärgerte Thor noch mehr, aber er beherrschte sich,wandte den Kopf zu dem Krieger um und sagte: »Lass uns allein.«
Der Mann nickte und entfernte sich rückwärtsgehend, und Thors Blick ging wieder zu Urd. »Was geht hier vor?«
»Sie haben sie aus der Stadt gebracht«, sagte Urd. »Gleich nachdem man sie gefangen hat. Sie hatten Pferde.«
»Das habe ich nicht gefragt«, sagte Thor. »Dieser Vogel, was ist mit ihm?«
»Er wird uns zu ihnen bringen!«, fauchte Urd ihn an. »Ich weiß, was Elenia getan hat, aber sie ist immer noch meine Tochter, und ich werde sie suchen!«
Thor wusste genau, wieso sie diesen Ton anschlug. Trotzdem schüttelte er nur den Kopf und wies in den Himmel hinauf. »Was sollte das? Willst du mir erzählen, dass du mit diesem Vogel sprechen kannst?«
»Nicht so, wie du vielleicht glaubst«, antwortete sie. Mittlerweile hatte sie ihre Fassung wiedergefunden, und schon allein ihr Blick und ihre Haltung machten Thor klar, dass der Moment vorbei war, in dem er vielleicht mehr von ihr erfahren hätte als das, was sie ihm zu verraten bereit war. »Es ist sehr anstrengend und … nicht besonders angenehm. Aber man könnte es so nennen, ja.« Sie atmete hörbar ein und hielt seinem Blick nun wieder ohne die geringste Mühe stand. »Sie haben sie aus der Stadt gebracht, schon vor einer halben Stunde. Nach Norden. Mehr weiß ich noch nicht, aber wir werden sie finden … wenn Bjorn uns nicht vorher findet, heißt das.«
Thor verstand, was sie ihm damit sagen wollte. »Worauf warten wir dann noch?«
»Sie haben Pferde.« Sie klatschte in die Hände, und der Einherjer tauchte wie aus dem Nichts wieder hinter ihm auf. Thor war nicht einmal ganz sicher, dass es immer noch derselbe war.
»Wir brauchen Pferde«, sagte Urd. »Zwei für uns und zwei für dich und deinen Kameraden. Und Waffen.«
Unverzüglich wollte sich der Mann umwenden, doch Thor hielt ihn mit einer raschen Bewegung noch einmal zurück, tratzu ihm und wechselte ein paar halblaute Worte mit ihm. Einen Moment später verschwand der Einherjer endgültig.
»Was hast du ihm gesagt?«, fragte Urd, als er sich wieder umwandte.
»Nichts«, antwortete Thor. »Du weißt; wohin man sie gebracht hat? Dann geh voraus.«
24. Kapitel
D ie beiden schwarzen Riesenvögel tauchten noch zweimal am Himmel auf, während sie der Spur zu Fuß nach Norden folgten – falls es denn die richtige Spur war, wessen sie ganz und gar nicht sicher sein konnten. Mindestens ein Dutzend Spuren führten aus der Stadt heraus Richtung Norden, und das waren nur die, die sie in der Dunkelheit erkennen konnten. Einige davon waren offensichtlich älter, die meisten aber frisch, und eindeutig stammten nicht alle von Sverig und seinem Begleiter.
Urd schlug vor, sich ein Versteck zu suchen und zu warten, bis der Krieger mit den Pferden zu ihnen stieß; ein durchaus vernünftiger Vorschlag, denn sie gewannen rein gar nichts und verbrauchten nur unnötig ihre Kraft, wenn sie durch den Schnee rannten, bis die Einherjer mit den Pferden zu ihnen stießen, statt einfach auf sie zu warten. Aber
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