freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
sah, dann bewegte sich die Zeit weiter, und Elenia öffnete die Augen und gab einen kleinen, klagenden Laut von sich. Thor war mit einem einzigen Schritt neben ihr und nahm sie in die Arme, ließ sie aber auch in der gleichen Bewegung schon wieder zurücksinken, als ihr Stöhnen zu einem mühsamen Schrei wurde und er begriff, dass er ihr Schmerzen zufügte, noch über die hinaus, die sie ohnehin schon litt.
»Elenia!«, keuchte er. »Bei allen Göttern, was haben sie mit dir gemacht?«
Er sah, dass sie tatsächlich zu antworten versuchte, und auch, wie sehr es sie anstrengte, und schüttelte hastig den Kopf, noch bevor sie auch nur einen Laut herausbekam.
»Nicht reden!«, sagte er hastig. »Sag nichts, das strengt dich nur an! Keine Angst, alles wird gut. Ich bin jetzt hier. Alles wird gut.«
Nichts würde gut werden. Sie hatten ihr nicht nur die Glieder gebrochen. Ihr Körper war mit Wunden übersät und schwarz und blau verfärbt, und zweifellos hatten sie sie auch geschändet, bevor sie mit Fäusten und Messern über sie hergefallen waren. Er hatte zu viele Wunden gesehen, um nicht zu erkennen, welche er heilen konnte und welche nicht. Elenia starb, jetzt und in seinen Armen.
Er versuchte es trotzdem, indem er die flache Hand auf ihre Brust legte – hauptsächlich, um sie durch die Berührung zu beruhigen als aus irgendeinem anderen Grund – und die Augen schloss, um in sie hineinzulauschen.
Der Schmerz war da, gewaltig und grausam und an tausend Orten zugleich und schon viel zu tief in ihr, um ihn noch bekämpfen zu können oder wenigstens zu lindern. Aber da war auch noch etwas, eine verzehrende Schwärze, die tausendmal älter war als die Seele, die sie verzehrte. Es war wie damals bei Lasse, nur unendlich viel schlimmer, denn Lasse war ein alter Mann gewesen, der tief in sich schon lange aufgegeben hatte. Elenia war eine junge, starke Frau, fast noch ein Kind, und sie kämpfte mit der ungestümen Kraft ihrer Jugend um ihr Leben, einer Kraft, die ihr nun zum Fluch wurde. Und mit jedem bisschen Kraft, das er ihr gab, verlängerte er ihre Qual nur, die er doch nicht beenden konnte, aber er konnte auch nicht aufhören und klammerte sich immer noch verzweifelt an das unsichtbare Feuer in ihr, als es schon längst erloschen war und er nur noch Dunkelheit und Kälte spürte. Und eine Leere, die auf ihre Art beinahe schlimmer war als aller Schmerz, den er zuvor gefühlt hatte.
Irgendwann spürte er, dass er nicht mehr allein war, und als er die Augen öffnete, kniete Urd neben ihm und hatte die Hand ihrer toten Tochter ergriffen. Ihr Gesicht war zu einer Maske aus grauem Stein geworden, auf der nicht die geringste Regung abzulesen war.
»Es …«, begann er, und Urd unterbrach ihn mit einem nur angedeuteten Verziehen der Lippen und sehr leiser brüchiger Stimme.
»Ich weiß. Du hast getan, was in deiner Macht stand.«
Das hatte er nicht gemeint, aber er antwortete auch nicht. Er hatte keine Worte mehr, als wäre die Leere, die er in dem toten Mädchen gefühlt hatte, nun auch in ihn eingedrungen und begänne seine Menschlichkeit zu verzehren.
Zeit verging. Augenblicke, die sich wie Stunden dehnten, in denen sie einfach in schweigendem Kummer nebeneinander saßen und um ihr totes Kind trauerten. Thor wartete auf den Schmerz, der jetzt kommen sollte, sehnte ihn regelrecht herbei, nur damit überhaupt irgendetwas die furchtbare Leere in ihm füllte. Aber er spürte nichts.
Es war Urd, die die grausame Stille schließlich beendete, indem sie die andere Hand ausstreckte und ihn an der Schulter berührte. Ihre Haut erschien ihm so kalt wie ihr Gesicht grau.
Noch immer von einer Kälte erfüllt, die ihn zutiefst erschreckt hätte, hätte sie nicht auch dieses Gefühl einfach erfrieren lassen, streifte er ihre Hand ab, stand auf und ging zu dem betrunkenen Krieger hin.
Urd war nicht allein gekommen. Einer der Einherjer stand direkt unter der Tür und deckte ihren Rücken, der andere hatte neben dem Mann Aufstellung genommen. Als Thor näher kam, trat er schweigend beiseite, und auf den schlaffen Zügen des Kriegers erschien eine jähe Hoffnung, als er nun in sein Gesicht, das eines Menschen, hinaufsah. Er stammelte irgendetwas, das Thor zwar nicht verstand, aber eindeutig erleichtert klang, und Thor trat wieder einen halben Schritt zurück und wartete schweigend, bis sich der Bursche mühselig in die Höhe gearbeitet hatte. Dann hob er die Hand und riss ihm den Kehlkopf heraus.
Dem Krieger blieb reichlich
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