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freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman

Titel: freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Thor drehte in einer schon fast verzweifelten Bewegung den Oberkörper zur Seite und spürte, wie etwas sehr Schweres und sehr Scharfes dicht genug an ihm vorbeiflog, um ihn einen heißen Luftzug auf der Wange spüren zu lassen.
    Die zweite Hälfte seiner Lektion hatte er anscheinend noch nicht ausreichend geübt, denn statt in seine Hand zurückzukehren, bohrte sich die Axt mit einem schmetternden Knall hinter ihm in eine Tür, und im gleichen Moment riss auch Thor den Arm hoch, um Mjöllnir zu schleudern.
    Aber er tat es nicht.
    Mjöllnir schrie in seinen Gedanken vor Wut und Enttäuschung auf, und Thor musste den Arm mit einer spürbaren Anstrengung zurückreißen. Er hätte Sverig töten können, hier und jetzt, samt aller seiner Begleiter und mit einer einzigen Bewegung, aber irgendetwas sagte ihm, dass es nicht richtig wäre.
    Statt Mjöllnir zu schleudern, riss er die Axt aus der Tür, wirbelte herum und warf das doppelklingige Beil zurück. Die Waffe verwandelte sich in ein rotierendes Rad aus reiner Bewegung und zuckenden Lichtreflexen, kappte eines der gebogenen Hörner von Sverigs Helm und bohrte sich hinter ihm in eine Wand. Sverigs Pferd bäumte sich so erschrocken auf, dass es fast seinen Reiter abgeworfen hätte, und Thor fuhr abermals herum und begann zu rennen.
    »Haltet sie auf! Aber riskiert nicht euer Leben!«
    Zwei weitere Einherjer schlossen sich ihm an, während er zum Hafen stürmte, und was ihn dort erwartete, war nicht nur das schiere Chaos, sondern hundertmal schlimmer, als er befürchtet hatte.
    Der Platz vor dem Hafen, der ihm bisher viel zu groß für eine so winzige Stadt wie Oesengard vorgekommen war, schien jetzt kaum noch auszureichen, um die zahllosen Flüchtlinge aufzunehmen, die aus allen Teilen der Stadt zusammenströmten, und Thor verspürte nun doch ein kurzes, aber eisiges Entsetzen, als er sah, wie wenig bewaffnete Männer unter ihnen waren. Zum allergrößten Teil handelte es sich um Frauen, Kinder und Alte, unter denen er eine erschreckende Anzahl von Verletzten entdeckte. Angst lag wie eine erstickende Wolke über dem Platz, und da war niemand, der ihn hochleben ließ oder gar auf die Knie sank. Alles, was er in den Gesichtern der Menschen hier las, waren Entsetzen und Todesfurcht und das allmählich heraufdämmernde Begreifen, dass es der Gott des Todes und der Verheerung war, den ihnen ihre Gebete gebracht hatten, nicht der Friede und Wohlstand, die ihnen versprochen worden waren.
    »Thor! Hier entlang!«
    Thor erkannte die Gestalt in dem zerschlissenen Mantel erst, als Barend ihn derb am Arm packte und einfach hinter sich her zerrte. Der Kapitän der Windsbraut wirkte noch genauso mitgenommen und erschöpft wie gestern, was ihn aber nicht daran hinderte, Thor so ungestüm hinter sich her zu reißen, dass dieser auf den ersten Schritten fast ins Stolpern geriet, und zugleich jeden aus dem Weg zu stoßen, der ihnen nicht schnell genug Platz machte.
    »Dein Weib ist bereits auf der Windsbraut«, keuchte Barend. »Und deine Tochter auch, keine Angst! Ich bringe dich hin!«
    »Und Gundri?«
    »Das weiß ich nicht«, schnaufte Barend. »Aber sie ist sicher auf dem Weg. Mach dir keine Sorgen. Die Flotte muss jeden Augenblick hier sein, das spüre ich!« Er stieß einen Mann so derb beiseite, dass er in die Arme der hinter ihm Stehenden fiel und gestürzt wäre, hätte ihn die dicht an dicht stehende Menge nicht aufgefangen, und deutete in die Dunkelheit jenseits des Hafens hinaus. »Wenn es nicht so dunkel wäre, dann könnte man sie schon sehen!«
    Damit hatte er recht, das spürte Thor. Irgendetwas kam, etwas Großes und Düsteres, das dürre Spinnenfinger nach seinen Gedanken ausstreckte und sie zu erforschen begann.
    »Das Naglfar«, sagte Barend. »Ich kann seine Nähe fühlen. Es dauert nicht mehr lange.«
    Beinahe konnte man es sogar schon sehen, dachte Thor. Die Dunkelheit jenseits des Hafens schien sich zu verdichten, fast als versuche die Natur ihr Antlitz zu verbergen, weil selbst sie vor dem erschauerte, was dort herannahte.
    Thor wusste jetzt, dass Barend die Wahrheit sagte. Auch er wusste einfach, dass es das Schiff aus der Hel war, auch wenn das, was er jetzt empfand, rein gar nichts mit der Mischung aus Staunen und Ehrfurcht zu tun hatte, die er beim ersten Anblick des unheimlichen Schiffes empfunden hatte. Was er jetzt verspürte, machte ihm Angst. Aber es war vielleicht auch die letzte Chance, die sie noch hatten.
    Statt auf sein schlechtes Gewissen zu hören

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