freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
drücken und ihre Hand gründlich in Augenschein zu nehmen.
Behutsam tauchte sie eines der sauberen Tücher in eine Wasserschale, die Thor ihr reichte, säuberte den Schnitt im Handballen der alten Frau mit genau der Kunstfertigkeit, die er erwartet hatte und begann sie dann genauso routiniert zu verbinden. Sie sah dabei überallhin, nur nicht in seine Richtung, aber schließlich gelang es ihm doch, ihre dunklen Augen einzufangen und ihr einen ebenso fragenden wie fast vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen. Warum willst du nicht, dass ich ihr helfe?
Urd antwortete mit einem ebenso stummen Kopfschütteln und einem nun eindeutig erschrockenen Blick, und bevor er seine Frage womöglich laut wiederholen konnte, polterten Schritte hinter ihm herein, und Hensvigs Stimme erklang.
»Ich will ja nicht … ihr Götter, Sventje! Was ist geschehen?«
Er kam rascher näher, doch noch bevor er seine Frau erreichte, hob Sventje die unversehrte Hand und machte eine unwillige Geste. »Das ist nichts«, sagte sie barsch. »Ich habe mich geschnitten. Nur ein Kratzer, mehr nicht.«
»Ein Kratzer?« Hensvig betrachtete mit gerunzelter Stirn zuerst ihre verbundene Hand, dann das blutige Tuch und noch einmal den klobigen Verband. »Das sieht mir nicht nach einem Kratzer aus.«
»Du weißt, wie die jungen Leute sind«, antwortete Sventje. »Das ist nichts. Außerdem ist es so, wie meine Mutter immer gesagt hat: Dummes Fleisch muss weg.«
»Wenn ich mich richtig erinnere, hast du das immer gesagt«, antwortete Hensvig mit einem noch tieferen Stirnrunzeln. »Und zwar immer dann, wenn ich mich verletzt habe.«
»Was kein Beweis dafür ist, dass meine Mutter es nicht gesagt hat, oder?«, gab Sventje zurück. »Oder gar, dass es nicht die Wahrheit wäre.«
Hensvig holte Luft zu einer entsprechenden Entgegnung, beließ es aber dann nur bei einem resignierenden Seufzen und wandte sich zu Thor um. »Bjorn wartet.«
»Worauf?«, fragte Urd alarmiert.
Thor machte eine beruhigende Geste und erklärte es ihr – was sie kein bisschen zu beruhigen schien –, und Sventje machte ein abfälliges Geräusch irgendwo zwischen einem Grunzen und etwas weit weniger Vornehmem.
»Was für ein Unsinn!«, sagte sie. »Niemand kommt über diese Berge, weder Riesen noch Zwerge noch irgendwelche anderen Ungeheuer. Bjorn weiß das.«
»Vielleicht ist er nicht mehr so sicher«, sagte Thor, erntete aber nur ein noch lauteres Schnauben.
»Diese Berge sind unüberwindlich«, beharrte sie. »Nicht einmal die Götter selbst könnten sie erstürmen. Wäre es anders, dann gäbe es Midgard schon lange nicht mehr.«
»Keine Festung ist unbezwingbar, Sventje«, sagte Bjorn von der Tür her. »Dennoch wäre ich ein schlechter Anführer, wenn ich jede Warnung in den Wind schlagen und das Schicksal Midgards nur auf die Hoffnung gründen würde, dass schon alles so bleibt, wie es immer gewesen ist, nicht wahr?« Er legte die Stirn in Falten, wodurch er von einem Moment auf den nächsten um mindestens zehn Jahre älter aussah. »Was ist passiert?«
»Nichts«, sagte Urd rasch. »Sie hat sich geschnitten, das ist alles.«
»Dann lass uns aufbrechen«, sagte Bjorn. »Sverig wartet schon. Und er ist nicht unbedingt der geduldigste Mann, den ich kenne.«
»Sverig ist auch dabei?«, fragte Urd und runzelte die Stirn.
»Keine Sorge«, sagte Bjorn rasch. »Ich gebe auf ihn acht.« Er wandte sich demonstrativ direkt an Thor. »Bist du so weit?«
Thor nickte, und sie verließen das Haus, ohne dass er sich auch nur von Urd oder den anderen verabschiedet hätte.
»Mir ist nicht wohl dabei, Urd allein zu lassen«, sagte er, nachdem sie ein paar Schritte gegangen waren. Bjorn legte ein scharfes Tempo vor.
»Sie ist bei den beiden in Sicherheit, keine Angst«, antwortete Bjorn. »Und ihre Kinder auch. Ich glaube, Hensvig hat ein Auge auf den Jungen geworfen.«.
Thor sah ihn fragend an, und Bjorn lachte knapp. »Hensvig ist alt und sucht schon lange nach einem Nachfolger, und wie es aussieht, stellt sich der Junge recht geschickt an … Sein Vater war Schmied, nicht wahr?«
»Soweit ich weiß«, antwortete Thor.
»Hensvig war jedenfalls ganz angetan von ihm, und wie es scheint, macht dem Jungen die Arbeit Spaß.« Er wiegte den Kopf. »Hensvig würde es nie zugeben, aber er ist schon lange zu alt für diese schwere Arbeit. Es fällt ihm zunehmend schwerer, den Hammer zu schwingen, und … bitte sag ihm nicht, dass ich es dir verraten habe, aber die Qualität seiner Arbeit
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