freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
und klaffte auf Armeslänge auseinander und bildete auf diese Weise einen Kamin, der die gesamte Wand spaltete und tief unter ihnen im Chaos des immerwährenden Sturmes verschwand.
»Der Kamin führt bis zum Fuß der Klippe hinab«, beantwortete Bjorn die Frage, die er gar nicht laut ausgesprochen hatte. »Man muss sehr stark sein und ein wirklich guter Kletterer, aber man kann es schaffen. Arnulf«, fügte er mit einer Kopfbewegung hinter sich hinzu, »hat es einmal getan.«
Nach allem, was Thor auf dem Weg hier herauf gesehen hatte, glaubte er ihm das sofort. Trotzdem fragte er: »Hat er es wirklich getan oder nur behauptet?«
»Wenn er nur gelogen hat, um sich wichtig zu machen, dann muss er wohl irgendwo unter seiner Wampe ein Paar Flügel versteckt haben«, antwortete Bjorn. »Das ist der einzige Weg hier herauf. Er ist vor meinen Augen in den Kamin gestiegen, und als ich nach vier Stunden unten angekommen bin, hat er sich bitter bei mir beschwert, wo ich so lange geblieben bin.«
»Der einzige Weg hinaus«, wiederholte Thor. »Aber jeder Weg, der hinausführt, führt auch herein, oder?«
»Dieser nicht.«
Es war der Jäger, der antwortete, nicht Bjorn. Ebenso wie alle anderen war er näher gekommen und hatte ihre kurze Unterhaltung mit angehört. Thor spürte, dass Sverig nur ein kleines Stück hinter ihm stand, und wich unauffällig zwei weitere Schritte von der Kante zurück, bevor er sich mit übertrieben zweifelnder Miene an Arnulf wandte.
»Man kann ihn hinuntersteigen, aber nicht herauf«, beharrte Arnulf. »Nicht ohne ein Seil, das einen von oben zieht. Niemand hat so viel Kraft. Nicht einmal du.«
»Und selbst wenn«, fügte Bjorn hinzu, »wären wir gewarnt.«
»Ihr überwacht den Einstieg.«
Bjorn nickte nur stumm, und wieder erschien jener sonderbar forschende Ausdruck in seinen Augen.
»Wenn niemand auf diesem Weg hier heraufkommt, von wem stammen dann die Spuren, die Arnulf gefunden hat?«, fragte Thor.
»Um das herauszufinden, sind wir hier, nicht wahr?«, gab Bjorn zurück; aber mit einer Betonung, die ihm nicht gefiel undauch nicht gefallen sollte. Aber dann lächelte der Jarl plötzlich wieder.
»Wir sind nicht nur wegen dieser Spuren hier, habe ich recht?«, fragte Thor geradeheraus.
»Ich weiß nicht, ob du wirklich ein Gott bist oder nur ein sterblicher Mensch, den ein großes Geheimnis umgibt. Aber wie dem auch sei, Thor, sieh es dir genau an. Dies ist vielleicht der letzte Ort auf der Welt, an dem Menschen noch in Freiheit leben können und an dem die Jahre ihres Lebens das Einzige sind, vor dem sie ihr Haupt beugen müssen. Wer du auch wirklich sein magst und wer dich vielleicht geschickt hat – meinst du nicht auch, dass dieser Ort es wert ist, erhalten zu werden?«
Thor war immer noch viel zu erschüttert von dem, was er sah, um mehr als den bloßen Wortlaut dessen zu verstehen, was Bjorn sagte. Da war noch etwas in ihm, von dem der bärtige Jarl nichts wusste und auch niemals erfahren durfte. Dass er hier war, um –
Nein.
Diesen Gedanken ließ er nicht zu.
»Du glaubst nicht wirklich, dass ich ein Gott bin«, sagte er, vergeblich um ein Lächeln bemüht.
»Manche bei uns glauben es«, antwortete Bjorn. »Deine Gefährtin glaubt es und ihre Kinder ebenso. Und Sverig auch«, fügte er nach einem winzigen Zögern hinzu.
Das überraschte Thor, aber es war im Moment nicht wichtig. »Und du?«
Bjorn zögerte, und als er schließlich antwortete, sah er ihn nicht an. »Ich weiß es nicht, Thor«, sagte er schließlich. »Doch wenn du hergekommen bist, um all das zu zerstören, dann werden wir dich töten so wie alle anderen, die vor dir gekommen sind, und alle, die nach dir kommen werden. Aber wenn du wirklich ein Gott bist, ist es dann nicht deine Aufgabe, dieses Land und seine Menschen zu beschützen?«
Thor schwieg, und was hätte er schon sagen sollen, das Bjorn nicht ohnehin schon zu ahnen schien?
Vielleicht, dachte er bitter, diesen einen Gedanken, den er mit verzweifelter Macht nicht zu denken versuchte und der tief in ihm doch da war, wie eine schwärende Wunde, deren Schmerz am Rande seines Bewusstseins pochte und ihn allmählich zu vergiften begann.
Seine Erinnerungen begannen zu erwachen, längst nicht vollständig oder dass er sich gar an irgendwelche Einzelheiten erinnerte. Aber er wusste dennoch zweierlei:
Dass Urd und Sverig und all die anderen recht hatten.
Er war Thor, der Gott des Donners.
Und er war hierhergekommen, um Midgard und damit die
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