Freibeuter der Leidenschaft
Wellen waren vollständig weiß, die Luft war erfüllt von Schaum und Gischt, und die Fregatte schaukelte heftig. MacIver stand am Ruder, aber Clive stand direkt neben ihm, alle Mann waren an Deck. Es war die zweite Wache.
Amanda stand direkt vor ihnen beiden, mit einem Tau um die Taille und festgebunden an einem Riegel unterhalb der Fockmastsegel, sodass sie nicht über Bord geweht werden konnte.
Gute acht Stunden waren vergangen, seit sie den Seemann gerettet hatte. Clive schätzte, dass es zwei oder drei Uhr früh sein musste. Amanda hatte neben ihm gestanden, hatte dem Sturm standgehalten, als wäre sie ein Teil von Wind und Meer. Seine Bewunderung für sie war grenzenlos.
„Segeln wir in einen Wirbelsturm, Sir?“, rief der Offizier ihm zu.
„Nein!“, rief Clive zurück. „Wir sind schon mittendrin, Mac. In einer Stunde werden wir das Schlimmste hinter uns haben.“
„Aye, Sir.“
Clive kämpfte gegen den Wind an und ging zur Steuerbordseite. Er sah sie an. Lächelnd erwiderte sie seinen Blick, die Augen groß und glänzend. Er hatte sie kein einziges Mal gefragt, ob sie müde war und nach unten gehen wollte, denn er kannte die Antwort. „Wir sind jetzt im Herzen des Sturms“, sagte er ihr.
Sie nickte. „Ich weiß, ich fühle es.“ Sie deutete zum Bug. „Der Tag bricht bald an.“
Er folgte ihrem Blick, aber er sah keine Anzeichen für das Morgengrauen.
Eine Stunde später sahen sie beide, dass das Licht sich veränderte. Clive stand immer noch bei Amanda. Ganz plötzlich legte sich der Sturm. Er betrachtete das weiße schäumende Meer und erkannte, dass er sich nicht täuschte – es ging dem Ende zu. Er sah sie an, und sie lächelte. „Wir haben die Fahrt gerade um gut zehn Knoten verlangsamt.“
Ihre Fähigkeit, Wind und Wetter einzuschätzen, erstaunte ihn. „Ja, das stimmt.“ Dann schnupperte er. „Aber wir werden heftigen Regen bekommen.“
Sie zuckte die Achseln.
Er fragte nach der Windstärke – sie hatte sich um elf Knoten verlangsamt. Er brüllte Befehle, allmählich wieder Segel zu setzen. Als er wieder zur ihr kam, hob er ein Fernrohr und blickte zum Horizont hinüber. Dabei entdeckte er die aufgehende Sonne, und ein Regentropfen fiel auf seine Hände, gefolgt von einem zweiten und noch einem. Ehe er ein Wort sagen konnte, ging strömender Regen auf sie nieder.
Sie lachte. „Darf ich meine Leine durchschneiden?“
Er lächelte, denn der Wind machte nur noch zwanzig Knoten. Statt einer Antwort schnitt er die Fesseln selbst durch. Dann sah er sie an, und sie verstand und folgte ihm zum Ruder. „Mac, ich übernehme. Sie haben heute Nacht gute Arbeit geleistet. Gehen Sie nach unten und genehmigen Sie sich ein gutes Glas.“
MacIver grinste. „Aye, Captain.“ Er warf einen Blick auf Amanda, dann tippte er sich an die Mütze und verließ eilig das Achterdeck.
Unglauberlicherweise wurde der Wolkenbruch noch heftiger. Doch Clive umklammerte das Ruder, während die Fregatte nun ruhig durch die Wellen glitt und die Wogen weiße Schaumkronen trugen. „Sie sollten nach unten gehen“, meinte er und sah Amanda an.
„Ich mag den Regen“, sagte sie.
Er schwieg. Sie hätte aussehen müssen wie ein zerlumptes Kind, doch sie wirkte wie eine Meeresgöttin. Das nasse Hemd klebte an ihrem Körper und zeigte ihre vollen Brüste und die schmale Taille. Ihre Kleidung schien nicht durchsichtig zu werden, was darauf hindeutete, dass sie darunter etwas aus billigem Material trug, aber er war nicht erleichtert. Er sagte sich, er sollte sie nicht anstarren, und wandte den Blick ab. Doch das Unglück war geschehen. Die Krise war vorüber, und er hatte nie eine Frau mehr begehrt, als er Amanda Carre begehrte.
Kurz darauf endete der Regen. Der Himmel hellte weiterhin auf, und die Winde ließen nach. Und plötzlich ging vor ihnen die Sonne auf, der Himmel und das Meer färbten sich rot, und einzelne blaue Streifen durchschnitten das Grau. Der Anblick war beeindruckend, und Clive tauschte einen Blick mit Amanda. Sie lächelten einander still zu, voller Verständnis.
Dann sah sie ihn an. Jetzt lächelte sie nicht mehr. Er spürte ihre Hitze, ihr Verlangen. Welches Kind er auch immer Wochen zuvor in Spanish Town gerettet haben mochte, es war längst fort. Eine verführerische Frau war geblieben. Die Spannung in ihm stieg.
Clive drehte sich um und befahl, mehr Segel zu setzen. Plötzlich murmelte Amanda etwas und ging zu dem unteren Deck. Ohne sie fühlte sich das Achterdeck seltsam leer an.
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