Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
Valentin hatte nicht so geklungen, als wenn er sich Sorgen machen müsste.
Gegen drei Uhr fuhr Kepler zum Ramada und wartete auf Julia. Sie verspätete sich um einige Minuten. Kepler stand draußen an seinen Wagen gelehnt und rauchte, als sie schließlich kam.
"Ich fahre, richtig?", fragte sie als erstes.
Kepler gab ihr den Schlüssel. Etwa fünf Minuten brauchten sie, um gemeinsam den Sitz und die Spiegel für sie einzustellen. Kepler speicherte die Einstellung, dann fuhren sie los. Julia brauchte etwas Zeit, um sich an den großen Wagen zu gewöhnen, aber dann machte ihr das Fahren sichtlich Spaß. Sie wurde immer lockerer, je sicherer sie sich fühlte und fuhr. Schließlich, als sie nur noch mit einer Hand lenkte, leuchteten ihre Augen, als sie den Wagen mit über zweihundert über die Autobahn jagte. Währenddessen fragte sie Kepler, was er morgen vorhatte. Sie hatte frei und wollte sich gern bei ihm bedanken, dass er sie nach Hannover gefahren hatte. Kepler sagte, er hätte nichts dagegen, aber dass er einen Besuch erwarte, der allerdings nicht lange dauern würde. Danach hätte er auch frei. Hoffentlich würde er danach wirklich noch frei sein, dachte er. Julia wollte wissen, wer der Besuch sein wird. Kepler erklärte es ihr knapp, und sie nickte, Nico hatte ihr von Valentins Besuch in der Schule berichtet. Sie fragte Kepler worum es dabei ging, und er erzählte ihr die Geschichte.
"Du gerätst oft in so etwas, oder?", mutmaßte sie, als er fertig war.
"Mich wundert es auch", erwiderte Kepler. "Irgendeiner hat bei der Verteilung von solchen Sachen gepennt und ich habe eine Ladung abgekriegt, die wahrscheinlich für drei Leute bestimmt war."
Julia lachte und jagte den Wagen konzentriert durch den Feierabendverkehr.
"Ein schönes Auto", sagte sie, nachdem sie den Audi fast gerade in der Parklücke abgestellt hatte. "Macht echt Spaß, damit zu fahren." Sie lächelte reuig. "Ich dachte immer, Automatik sei was für alte Leute."
"Frag mich das nächste Mal einfach, wenn du etwas nicht weißt", schlug Ke pler vor. "Ich erkläre es dir ausführlich."
"Mache ich", versprach Julia und schloss ab.
Am nächsten Morgen hatte Kepler nach dem Laufen geduscht und überlegte, was er zum Frühstück machen sollte. Es war schon acht Uhr, aber Julia schlief noch. Kepler hatte gerade das Wasser aufgestellt, als es klingelte. Er machte auf, eine Minute später stand Valentin in der Tür.
"Gehen Sie in die Küche", Kepler wies dem Polizi sten mit der Hand den Weg und machte die Tür zu. "Leise bitte."
Als Valentin am Schlafzimmer vorbeiging, warf er einen Blick hinein. Kepler, der hinter ihm ging, griff zur Klinke. Das Schloss funktionierte nicht, der Riegel saß fest. Kepler war das egal, aber im Moment konnte er die Tür nur anlehnen.
"Setzten Sie sich", sagte er zu dem Beamten in der Küche. "Kaffee?"
"Ja, gern."
Kepler stellte Tassen und Zucker auf den Tisch und eine Zeitlang hörten er und Valentin dem Blubbern der Kaffeemaschine zu. Danach tranken sie genauso schweigend die ersten Schlucke. Dann langte Valentin in die Tasche und hielt Kepler einen Umschlag hin.
"Die Verhandlung ist in drei Tagen . Die gegen die Vergewaltiger."
Kepler nahm den Brief, e s war eine Vorladung als Zeuge.
"Ich glaube nicht, dass Sie aussagen müssen, die Beweislage ist klar und die Typen haben umfa ssend gestanden." Der Polizist sah Kepler an. "Ich möchte aber, dass die Typen Sie zumindest sehen. Damit sie nicht auf die Idee kommen, ihre Geständnisse im letzten Moment zu widerrufen."
"Okay ."
"Wir treffen uns vor dem Gerichtsgebäude, damit ich Sie passend platzieren kann. Während der Verhandlung werden Sie als Zeuge draußen warten müssen."
"Und wegen mir?"
"Ich denke, es wird nichts geben ." Valentin lächelte. "Zumindest haben Winker und ich den Staatsanwalt lange genug dahingehend bearbeitet."
"Danke", sagte Kepler ehrlich. "Wieso eigentlich?"
"Wie ist Afrika?", fragte Valentin unvermittelt.
Kepler sah ihn perplex an. Der Polizist blickte nachdrücklich zurück und Kepler hatte den Eindruck, dass von seiner Antwort viel abhing, warum auch immer.
" Es ist das pure Elend und das pure Leid", antwortete er trotzdem nur langsam und unwillig. "Und es ist die absolute Schönheit."
"Erzählen Sie es mir genauer."
"Wozu?"
"Ich will Sie nicht therapieren." Valentin blickte ihn direkt an. "Ich will nur sichergehen, dass Sie der sind, für den ich Sie halte."
"Ich zeige Ihnen lieber ein paar Bilder", schlug Kepler nach
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