Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
kurzem Überlegen vor. "Darauf werden Sie sehen, wie es ist, nicht wie es aussieht."
Valentins Augenaufschlag war unangenehm überrascht.
"Sie haben Bilder davon gemacht?"
"Nicht ich. Katrin."
"Wer ist Katrin?", fragte der Polizist ratlos, aber etwas gelöster.
"Mein Engel ", murmelte Kepler.
Er ho lte den Laptop und Katrins DVD.
Valentin sah die Fotos schnell durch, aber als Kepler aufstand, um die Tassen nachzufüllen, blickte der Polizist verstört zu ihm hoch. Auf dem Bildschirm war das Bild eines abgezehrten Mädchens, das bitter weinte.
"Wenn schon das Foto so wirkt, wie ist es, wenn man es wirklich sieht?"
"Was glauben Sie denn?"
Valentin deutete auf das Bild.
"Für sie hätte ich auch geschossen ."
Kepler sah ihm in die Augen.
"Haben Sie je einen Menschen getötet?"
"Nein."
"Danken Sie Gott dafür, Hermann. Und beten Sie, es nie tun zu müssen."
"Aber Sie haben es getan."
" Und vielleicht habe ich damit diesem Kind das Leben gerettet." Kepler lächelte schief. "Was für eins wird es denn werden?"
Eine Zeitlang tranken sie schweigend weiter.
"Wenn die Anwälte der Vergewaltiger querschießen, könnte sich die ganze Sache wenden", sagte Valentin plötzlich. "Aber dann gebe ich Ihnen rechtzeitig bescheid." Er seufzte. "Vielleicht sollten Sie darüber nachdenken, Ihren Bruder zu besuchen. Kalifornien soll ganz schön sein."
"Wieso machen Sie das?", fragte Kepler erstaunt.
"Ich bin seit dreißig Jahren Polizist", antwortete Valentin bedächtig. "Ich habe nicht das gesehen, was Sie gesehen haben, aber hier ist es nicht viel anders, wenn man nur lange genug unter der Oberfläche stochert." Er stockte. "Und... mein Vater war auch Soldat", fügte er leise hinzu.
"Ist er gefallen?"
"Nein." Valentin versuchte zu lächeln. "Aber meine Mutter sagte, er sei als ein ganz anderer zurückgekommen." Dann lächelte er richtig. "Und er sagte, der Gedanke an sie hatte ihn die sowjetische Gefangenschaft überleben lassen. Zu Hause hatte Mutter ihm die Kraft gegeben, weiterzumachen." Er warf einen Blick in Richtung Schlafzimmer. "Ist das da Ihre Freundin?"
" Annähernd sowas in der Art."
" Es heißt, nur als Mann und Frau ist der Mensch komplett, Dirk."
" Das stimmt auch. Aber in der Bibel steht auch, dass ich nur einige menschliche Merkmale aufweise und ansonsten dämlich und schlecht bin."
"Sie lesen die Bibel", sagte Valentin überrascht.
"Hat meine Oma mir nahegelegt. Ich habe sie aber nur einmal durchgelesen."
Sie sahen sich an, dann stand Valentin auf. Kepler begleitete ihn zur Tür.
"Wir sehen uns in drei Tagen um halb elf im Gericht."
Er streckte die Hand aus und Kepler drückte sie.
"Ic h werde da sein", versprach er.
"Ich weiß, Soldat", nickte Valentin und ging hi naus.
Kepler atmete durch, machte die Tür zu und drehte sich um.
Julia stand in der Schlafzi mmertür, hielt die Decke vor sich und sah ihn an.
"Kaffee ist fertig", sagte er. "Haben wir dich geweckt?"
"Ist nicht schlimm", antwortete sie. "Ich will mit zu der Verhandlung."
"Nein."
"Aber...", begann Julia.
"Es geht dich nichts an ."
Kepler hatte es endgültig gesagt und Julia fügte sich nach kurzem Zögern.
"Geh duschen", schlug er vor. "Ich gucke solange, ob wir was zu essen h aben."
Sein Kühlschrank war leer.
An der Tankstelle unweit seines Hauses besorgte er Eier und Toast. Als er zurückkam, wartete Julia in der Küche. Sie hatte ein T-Shirt in XXL an, das Kepler mal aus Versehen gekauft hatte. Ihm war es zu groß. Für eine nackte Frau war es an sich zu kurz, der Ausschnitt dagegen kolossal. Kepler ließ die Tüte bei dem Anblick fast fallen und Julia lachte silbern.
Eine Minute später saß Kepler in der Küche still am Tisch und sah zu, wie Julia das Frühstück machte. Als sie sich hinsetzte, lächelte sie, weil er unermüdlich versuchte, unter das Shirt zu linsen.
29. Drei Tage später stand Kepler vor dem Gerichtsgebäude. Es nieselte und es wehte ein kalter schneidender Wind. Kepler trat von einem Fuß auf den anderen und fror. Valentin erschien mit fünfminütiger Verspätung. Er begrüßte Kepler mit einem knappen Handschlag, dann gingen sie hinein.
Der Gang, durch den die Angeklagten in den Gerichtssaal hereingeführt wurden, war hell erleuchtet, aber schmal. Es gab keine Sitzgelegenheit, Kepler und Valentin mussten stehen. Die drei Männer wurden kurz vor der Eröffnung der Verhandlung in den Gerichtssaal geführt. Sie trugen Handschellen, jeder wurde von zwei Justizvollzugsbeamten begleitet. Als
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