Freiheit für Cyador
in Richtung Norden, und damit fort von den Lanzenkämpfern, den Ingenieuren und dem schweren Gerät.
Lorn beabsichtigt nicht, das Tier zu verfolgen, nicht mit den nur noch unzureichend geladenen Feuerlanzen.
Die Flammen steigen höher und züngeln grimmig orange in den grünblauen Himmel; dicker, beißender schwarzer Rauch steigt zusammen mit helleren grauen Rauchfahnen auf, und alles zusammen bildet einen Schleier, der sich langsam übers Land ausbreitet.
An der Sperrenmauer arbeiten bereits einige Ingenieure. Sie ersetzen die zerstörten Kristallsperren durch neue und lassen sich dabei von den Flammen, die dreihundert Ellen nördlich von ihnen auflodern, nicht stören.
Die Flammen erlöschen schließlich und lassen den Stamm scheinbar unversehrt zurück. Der Ingenieurmajor kommt erneut mit weit ausholenden Schritten auf Lorn zu, der ihm wiederum entgegenreitet.
Der Major berichtet ohne Umschweife und Vorreden: »Die Sperren arbeiten wieder. Mehr können wir hier nicht tun.«
»Ihr wollt den Stamm einfach so hier liegen lassen?«, fragt Lorn.
Der Major lacht. »Wir haben unsere Arbeit erledigt. Und Ihr auch. Es gibt einen Holzkommis, mit ihm haben wir einen Vertrag abgeschlossen. Er wird sich um den Stamm kümmern. Seine Männer werden in ein paar Tagen hier sein und nach zwei Achttagen wird niemand mehr auch nur erahnen können, dass hier jemals ein Stamm umgestürzt ist. Es ist gutes Holz, sagen sie. Ich würde es nicht anrühren, es ist noch zu viel von der dunklen Ordnung darin, aber der Kommis verschifft es über den Großen Kanal, um es an der Küste zu verkaufen. Wie man hört, bekommt er dort einen guten Preis dafür. Dieses Geld kommt auch unserem Gehalt zugute, Hauptmann, Eurem und meinem.«
Lorn nickt. Er erkennt die Logik dahinter, aber er kann es nicht gutheißen, dass die Händler vom Tod der Lanzenkämpfer profitieren. »Dies hier scheint ein besonders großes Exemplar zu sein«, bemerkt er und beobachtet dabei den Major. »Das stimmt doch, oder?«
»Fünfunddreißig Ellen ab der Sperrenmauer. Das ist der größte Baum, den ich je gesehen habe. Ein paar schöne Ladungen Bauholz werden dabei für die Händler herausspringen.« Der Major grinst. »Mehr als nur ein paar, würde ich sagen. Die Händler können damit umgehen. Ich nicht. Wenn das Feuer abgebrannt ist, werden wir nach Ostend zurückkehren und Ihr könnt Eure Patrouille fortsetzen.«
»Wir müssen unsere Lanzen in Ostend aufladen oder ersetzen«, meint Lorn ruhig. »Wir haben wahrscheinlich nicht einmal mehr ein Dutzend funktionstüchtige Waffen.«
»Da können wir Euch weiterhelfen, Hauptmann. Ich werde dafür sorgen, dass geladene Lanzen für Euch bereitstehen, wenn Ihr ankommt.«
»Danke.«
»Das Mindeste, was wir für Euch tun können.« Der Major nickt und verabschiedet sich.
Lorn reitet zurück zur Zweiten Kompanie. Sie haben einen langen Ritt vor sich bis zum nächsten Zwischenposten, einen sehr langen Ritt, der noch lange in den Abend hinein dauern wird. Und auch wenn die Patrouille zu Ende ist, wird er keine Zeit zum Ausruhen finden. Er muss Nachschub anfordern, Briefe entwerfen für die Familien der gefallenen Lanzenkämpfer und sich um all die anderen Dinge kümmern, die erst erledigt werden können, wenn die Zweite Kompanie nach Jakaafra zurückgekehrt ist.
XV
A m späten Nachmittag sitzt Lorn gebeugt im Sattel. Er reibt sich die Stirn und die brennenden Augen; das Kratzen des salzigen Schweißes in den zwei Tage alten Bartstoppeln stört ihn schon gar nicht mehr. Er muss sich zwingen, aufrecht zu sitzen, als die Zweite Kompanie sich dem verschlossenen und versiegelten Granitbauwerk nähert – dem Chaos-Turm, der genau am nordöstlichsten Punkt der Mauer steht.
»… zu dumm, dass es hier keinen Zwischenposten gibt«, murmelt ein Lanzenkämpfer, der hinter Lorn reitet.
»… wäre zu schön …«
Lorn hebt die Hand und bedeutet der Zweiten Einheit, von der Sperrenmauer wegzureiten und der Straße zu folgen, die einen Bogen um den Chaos-Turm und die niedrige Mauer macht, die ihn mit der Sperrenmauer verbindet.
Im schwächeren Nachmittagslicht reitet Lorn mit einem Abstand von fünfzig Ellen an der Granitmauer vorbei und studiert dabei das Bauwerk des Chaos-Turmes genauer. Bildet er es sich nur ein oder wirkt der Granit des Turmes wirklich weniger fest und stabil als der des Turmes in Jakaafra? Er runzelt die Stirn und konzentriert sich mit Augen und geschwächten Chaos-Sinnen auf den Turm.
Schließlich
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