Freiheit für Cyador
schüttelt er den Kopf.
»Ser? Ist Euch nicht gut?«, fragt Kusyl.
»Mir fehlt nichts.« Lorn lacht. »Mir geht es nicht besser und nicht schlechter als allen anderen hier.«
Kusyl nickt und schaut wieder weg, da presst Lorn die Lippen aufeinander. Soweit er das feststellen kann, ist der Chaos-Turm nicht mehr einsatzbereit, er hat versagt. Lorn kann keinerlei Chaos-Energie mehr feststellen, die eigentlich in den Cupridiumkabeln fließen sollte, welche vom Turm zur Sperrenmauer verlegt sind, doch die Sperren entlang der Mauer halten das Chaos-Netz noch aufrecht.
Das Chaos muss den ganzen Weg von Ostend und Jakaafra bis hierher zurücklegen. Versucht deshalb der Verwunschene Wald an der Nordostmauer auszubrechen? Oder hat der Turm schon vor Jahren seinen Dienst versagt und man hat es die ganze Zeit geheim gehalten?
Wieder würde das, was er nicht weiß, endlose Papierrollen füllen. Lorn reibt sich erneut die Stirn. Noch sechzehn Meilen liegen vor ihnen, bevor sie den nächsten Zwischenposten erreichen.
XVI
W ährend die Zweite Kompanie sich im Kasernenhof in Ostend sammelt, der genauso aussieht wie der in Westend, marschiert Lorn auf das lange Gebäude zu, in dem die Spiegellanzenkämpfer untergebracht sind, und fragt sich, ob er hier überhaupt jemanden antreffen wird. Die Flure und Arbeitszimmer sind menschenleer und Lorn macht sich auf den Weg in den Offiziersspeisesaal. Jeder Schritt seiner schweren Stiefel ist auf dem sauberen Steinboden des Flurs deutlich zu hören.
Am einzigen besetzten Tisch im Speisesaal findet er schließlich Major Weylt und zwei Ingenieurhauptmänner. Alle drei erheben sich, als Lorn zu ihnen stößt.
»Hauptmann«, bietet Weylt an, »setzt Euch zu uns.«
»Ich habe keine Zeit«, meint Lorn. »Meine Kompanie formiert sich bereits im Hof.« Er verbeugt sich vor dem Major. »Ich wollte mich nur noch einmal bedanken für die prompte Bereitstellung der Feuerlanzen, Major. Ich weiß Eure Bemühungen zu schätzen.«
»Ihr seid sehr freundlich.« Weylts Augen funkeln. »Ich sehe, Ihr habt einen neuen … passenden … Säbel gefunden.«
»Es gab ein paar übrige in der Waffenkammer.« Lorn verzieht für einen Augenblick den Mund. »Ich bin wohl nicht der Erste, dem das passiert.«
»Ist Eurer zerbrochen?«, fragt der gedrungene Hauptmann neben Weylt.
»Hm … nein, nicht direkt. Ich habe ihn einer Wasserechse ins Auge gestoßen, worauf er sich einfach in Luft aufgelöst hat. Zumindest konnte ich ihn nicht mehr finden, nachdem die Echse verendet war.«
»Ihr … habt die Wasserechse mit einem Säbel getötet?«
»… und mit fast der gesamten Ladung all unserer Feuerlanzen«, fügt Lorn gelassen hinzu. »Allerdings haben wir mehr als nur ein paar Lanzenkämpfer dabei verloren.«
»Die Echse war länger als zwanzig Ellen. Ich habe mir den Kadaver angesehen, bevor wir ihn verbrannt haben«, fügt Weylt hinzu. »Sehr eindrucksvoll.« Er nickt. »Wir wollen Euch nicht aufhalten, Hauptmann, aber es war mir eine Freude, Euch kennen zu lernen und mit Euch zu arbeiten.«
»Ganz meinerseits.« Lorn erwidert das Nicken mit einer Verbeugung und lächelt. »Ihr werdet es mir jedoch verzeihen, wenn ich hoffe, dass wir nicht zu oft zusammenarbeiten müssen?«
Weylt lacht. »Das tue ich. Ich wünsche Euch eine Patrouille ohne weitere Vorkommnisse.«
»Das hoffe ich auch. Vielen Dank nochmals.«
Mit einem Lächeln und einer letzten Verbeugung dreht sich Lorn um und schreitet hinaus auf den Hof, wo er die Zügel des Wallachs vom Stalljungen entgegennimmt. Er überprüft den Sitz des Gepäcks und steigt auf.
Der Hof der Kaserne liegt noch im Schatten, aber die Sonne ist bereits aufgegangen und überflutet das Ödland hinter den Toren mit Licht, während Lorn sich stirnrunzelnd mit dem Wallach zu den wartenden Lanzenkämpfern gesellt. Er hätte Weylt schon früher aufsuchen sollen. Es gibt so viele Kleinigkeiten, die sein Dienst mit sich bringt, die jedoch nicht im Handbuch stehen und über die ihn auch niemand aufgeklärt hat. Doch das, so nimmt er an, gilt für viele andere Dienstposten der Spiegellanzenkämpfer in Cyador.
»Habe mich schon gefragt, wo Ihr seid, Ser«, meint Kusyl, als Lorn die Spitze der Kolonne erreicht, wo beide Truppenführer warten.
»Ich habe dem Leiter des Spiegelingenieurpostens meinen persönlichen Dank überbracht für den Austausch der Feuerlanzen und Säbel. Gestern war er auf Patrouille, aber er war schließlich derjenige, der uns die Lanzen besorgt
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