Freiheit für Cyador
Lorn.
Nach einem Augenblick des Schweigens fügt er hinzu: »Er war ein guter Truppenführer. Wir werden ihn vermissen.« Er senkt die Augen. »Würdest du … Frygel …«
»Ja, Ser.«
»Und du, Askad?«
»Ja, Ser.«
Lorn wirft einen Blick auf die Baumkrone, um sich zu vergewissern, dass sich kein Tier mehr darin versteckt, und sieht dann die zwei Lanzenkämpfer an. »Ich werde die Einheit nun anführen … für den Rest der Patrouille …« Er senkt die Stimme, dann richtet er sich im Sattel auf. »… wünschte, es wäre nicht so.« Lorn presst die Lippen aufeinander und nimmt den Wallach langsam herum.
»Ziemlich niedergeschlagen, der Hauptmann …«
»… wärst du das nicht …«
»… damals hat er die Echse angegriffen … hat drei, vier abgewehrt im letzten Frühling … und diese Katzen … hat ihn nicht sonderlich aufgeregt … hat einfach drei umgebracht … einfach so …«
»… will keine Lanzenkämpfer mehr verlieren …«
Lorn reitet langsam zurück zu Kusyl, kopfschüttelnd. »Das hätte nicht passieren dürfen.«
»Solche Dinge geschehen einfach, Hauptmann«, antwortet Kusyl mit langem Gesicht. »Das hat es früher schon gegeben. Versucht man, so etwas zu verhindern, verteilt man die Männer zu weit voneinander entfernt und die Biester entkommen. Das wird auch nicht das letzte Mal gewesen sein, es sei denn, wir bekommen mehr Lanzenkämpfer.«
»Wir werden auf keinen Fall genug Männer bekommen.« Lorn lacht, es klingt jedoch eher wie ein heiseres Bellen. »Vor der Winterwende bekommen wir überhaupt keine neuen Lanzenkämpfer.« Er holt tief Luft. »Stell die Wachen auf, Kusyl. Ich brauche noch einen Augenblick. Dann … dann werde ich einen Kurier zu den Ingenieuren schicken.«
»Ja, Ser.«
Lorn brauchte eigentlich mehr als nur einen Augenblick, aber mehr wird man ihm nicht zugestehen, denn er wird die Erste Einheit übernehmen und auch sie genau beobachten müssen.
Leises Donnergrollen im Süden des Verwunschenen Waldes raunt über die Zweite Kompanie hinweg. Südwind kommt auf und bringt feuchte Luft mit, die den von Lorn bereits erwarteten Regen – und Schlamm – ankündigt.
Was er noch erwartet, ist Major Marans baldiges Eintreffen. Daran besteht kein Zweifel mehr.
XXVIII
L orn wirft einen Blick aus dem Fenster des hinteren Arbeitszimmers, die frühherbstliche Sonne taucht den weißen Granit im Hof in klares Licht. Denn schaut er wieder auf die Papierstapel auf seinem Schreibtisch.
In der angrenzenden Amtsstube arbeitet sich ein etwas benommen wirkender Kusyl durch all die Mannschaftslisten in der Truhe. Lorn zweifelt noch etwas an Kusyls verwaltungstechnischen Fähigkeiten, aber Kusyl kann schließlich lesen und schreiben, wenn auch etwas schwerfällig, denn andernfalls werden Lanzenkämpfer nicht zu Truppenführern befördert, nicht einmal zu Untertruppenführern. Wichtiger für Lorn ist, dass Kusyl, so linkisch er auch wirken mag, ihm und den Lanzenkämpfern gegenüber loyal ist und nicht nur blind vor Ehrgeiz.
Hatte Lorn gegen Olisenn überhaupt etwas unternehmen müssen? Im Grunde hatte man ihm keine Wahl gelassen. Maran hätte den Mann niemals versetzt, und schon der Versetzungsantrag wäre für Olisenn und Maran ein Grund gewesen, ihrerseits Schritte gegen Lorn einzuleiten. Lorn hätte es nicht mit Olisenn und Maran gleichzeitig aufnehmen wollen. Er hat keinen Zweifel daran – wenngleich er es auch nicht beweisen kann –, dass Olisenn an der Beseitigung von Hauptmann Dymytri beteiligt war. Lorn hat seine Handlungen bisher nur selten bereut; im Gegenteil, er hat es meist bereut, wenn er nicht gehandelt hat. Wie etwa bei der Vermählung seiner Schwester Myryan, welche ihr vielleicht mehr schaden wird, so fürchtet Lorn, als er bislang ahnt. Dennoch bereitet es ihm Kopfzerbrechen, dass er gezwungen war, so zu handeln.
Er wirft einen Blick auf die Schriftrollen.
Er hat zwar die Zusammenfassung der Patrouillenberichte für Major Maran bereits fertig, die Anforderung eines neuen Truppenführers schon geschrieben und auch den Antrag für Kusyls Beförderung zum Haupttruppenführer gestellt, aber es stehen noch weitere unangenehme Dinge aus.
Eines davon ist die erneute Anforderung von Ersatzlanzenkämpfern für seine stark unterbesetzte Kompanie. Dann sollte er an seine Familie schreiben. Mit sorgsam ausgewählten Worten, denn Maran wird die Schriftrolle sicherlich abfangen und lesen. Lorn muss sich auch eine neue Taktik überlegen, wie er in Zukunft mit den
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