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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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weil es in einer Wirtschaft mit schrumpfendem
Lohnstück
und
Staatsstück
wenig Grund für eine rege Investitionstätigkeit gibt. Und noch weniger gibt es Investitionsgelegenheiten, die die erwünschte Zielrendite in Aussicht stellen. Nur eine wachsende Verschuldung des Staates und/ oder der Konsumenten kann unter diesen Bedingungen überhaupt noch eine gewisse volkswirtschaftliche Dynamik gewährleisten. Oder eben wachsende Exportüberschüsse, die in anderen Teilen der Welt zu immer höherer Verschuldung führen.
    Immer mehr Einkommen aus dem
Profitstück
fließt in einem solchen Umfeld in den virtuellen Kreislauf der Finanzsphäre. Das gilt vor allem, seit die Geldmaschine der Banken die gewünschten Renditen über längere Zeit vorgaukeln kann. Der Finanzmarkt wird so zur Möglichkeit, ohne den Umweg über die lästige Güterwelt und ohne reale Käufe und Verkäufe Profiteinkommen zu beziehen. Hier muss also gar niemand mehr Kuchen essen. Vielmehr wird das
Profitstück
auch deshalb immer voluminöser, weil der Kuchen an dieser Stelle immer größere Blasen schlägt, in denen sich nichts als heiße Luft befindet: virtuelle Buchungen in Bankcomputern, die den Umfang des
Profitstücks
aufblähen und zur Bildung immer größerer Geldvermögen bei den Begünstigten führen.
    Das hier skizzierte Modell trägt den globalen Kapitalismus jetzt seit fast drei Jahrzehnten. Seit dieser Zeit werden also Profite in immer geringerem Maße reinvestiert, sondern im besten Fall weiterverliehen und aufgegessen, im schlechteren verspekuliert und im schlechtesten von den Staaten in Raketen, Panzer und Kriege gesteckt. Ergebnis dieses Modells sind eine gigantisch aufgeblähte Finanzsphäre sowie die Existenz riesiger Geldvermögen auf der einen und ebenso riesiger Schulden auf der Gegenseite. Das bedeutet ein ständig wachsendes Ungleichgewicht, zumal sich die Schuldenberge über einer weitgehend stagnierenden Produktionsbasis auftürmen.
    Beides – die Verschuldung und das Gelddrucken – muss zudem immer weiterlaufen, damit die unter heutigen Bedingungen einzigeTriebkraft der Wirtschaft, der Profit, nicht kollabiert. Mit Blick auf diese Zusammenhänge wird verständlicher, warum die Politik seit Beginn der Krise 2007 in den USA alles dafür getan hat, den alten Irrsinnskreislauf, koste es, was es wolle, wiederzubeleben. Solange die Wirtschaftsordnung als sakrosankt gilt, gibt es kein anderes Konzept. Deshalb haben die Staaten die Banken in Steuergeld gebadet und werfen ungerührt immer neue Milliarden ins Feuer. Deshalb haben die Zentralbanken Billionen gedruckt und auf die Finanzmärkte gepumpt und tun es noch. Deshalb verzichtet die Politik auf jede vernünftige Regulierung des Finanzsektors, die die Geldmaschine der Banken außer Betrieb setzen könnte. Tatsächlich hat dieser ganze Hokuspokus kurzfristig dazu geführt, dass – auf den Finanzmärkten und bei den Profiten! – wieder so etwas wie ein Aufschwung eingetreten ist. Es spricht nur wenig dafür, dass ihm ein langes Leben beschieden sein wird.
    Schon 1922 hatte der österreichische Ökonom Ludwig von Mises gewarnt:
     
    »Durch Kunstgriffe der Bank- und Währungspolitik kann man nur vorübergehende Scheinbesserung erzielen, die dann zu umso schwererer Katastrophe führen muss. Denn der Schaden, der durch Anwendung solcher Mittel dem Volkswohlstand zugefügt wird, ist umso größer, je länger es gelungen ist, die Scheinblüte durch Schaffung zusätzlicher Kredite vorzutäuschen.« 96
    Profit: Vom Wachstumstreiber zum Wohlstandskiller
    Fassen wir zusammen: Ist der Investitionsbedarf einer Gesellschaft hoch und sind die Märkte offen, treibt das Profitstreben privater Unternehmen das Wachstum an und voran und leitet das Kapital tatsächlich in die wachstumsträchtigsten Bereiche. Die angepeilten Profite werden in einer solchen Situation überwiegend reinvestiert und halten dadurch das hohe Investitionsniveau ebenso aufrecht wie dieses ein hohes Profitniveau. Um im oben beschriebenen Bild zu bleiben: Die Investitionen sorgen dafür, dass das
Profitstück
immer wieder aufgegessen wird.
    Die entscheidende Frage ist also, ob für die angepeilten Renditen jeweils wieder volkswirtschaftlich sinnvolle und zugleich rentableAnlagemöglichkeiten bereitstehen. Solange das so bleibt, ist eine kapitalistische Ökonomie dynamisch, produktiv, innovativ. Bei steigender Produktivität können dann auch die Löhne mitwachsen, ohne dass es zu extremen Verteilungskonflikten kommt.

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