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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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auch die schönen Profite futsch. Dann könnten die Bezieher von Profiteinkommen zwar wenigstens nicht mehr so viel sparen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit würden sie noch weniger investieren, gar keine Steuern mehr zahlen und Beschäftigte entlassen und so den ganzen Kuchen zum Schrumpfen bringen.
    Ist das Profitstück zu groß?
    Nun könnte man meinen, dass es für die ganze Misere eigentlich eine viel einfachere Lösung gäbe. Wenn die Investitionen das
Profitstück
nicht mehr ausschöpfen und die Bezieher von Profiteinkommen auch sonst mit ihrem Geld nichts anzufangen wissen, ist deren Anteil am Kuchen offensichtlich zu groß. Die Nettoanlageinvestitionen in Deutschland liegen seit Jahren bei unter 100 Milliarden Euro, also bei weniger als einem Sechstel des
Profitstücks
. Was also liegt näher, als einfach den Anteil dieses Stücks am Kuchen radikal zu verkleinern und stattdessen den des
Staatsstücks
und des
Lohnstücks
zu erhöhen? Eine solche Minimierung des
Profitstücks
wäre durch hohe Lohnsteigerungen und eine kräftige Besteuerung von Firmengewinnen, Kapitalerträgen oder auch großen Vermögen möglich. Auch die Streichung eines Teils der Staatsschulden, und damit der Zinszahlungen, hätte diesen Effekt.
    Staat und Normalbürger mögen viele Sorgen haben, aber die Sorge, nicht zu wissen, was sie mit ihrem vielen Geld anfangen sollen, gehört nicht dazu. Würde das
Profitstück
auf die Größe der Nettoinvestitionen zurückgestutzt, könnten die anderen beiden Stücke in Deutschland um zusammen 500 Milliarden Euro wachsen, und alles wäre eigentlich im Lot.
    Der Staat könnte dann mehr in Bildung und Infrastruktur investieren und bessere Renten und Sozialleistungen zahlen, ohne sich verschulden zu müssen. Die Beschäftigten könnten mehr für ihren Konsum ausgeben, ohne jeden Euro dreimal umzudrehen. Und der Kuchen müsste nicht langsamer wachsen als bisher, denn das
Profitstück
wäre ja immer noch groß genug, um die privaten Investitionen zu finanzieren.
    Das Dilemma des Kapitalismus
    Das Problem ist, dass diese überaus plausible Lösung unter kapitalistischen Bedingungen keine ist. Denn:
     
    Ob der Kuchen im Zeitverlauf überhaupt noch wächst oder ob er schrumpft, hängt in einer kapitalistischen Ökonomie ausgerechnet von der für die Zukunft erwarteten Größe des
Profitstücks
ab. Es sind die Bezieher von Profiteinkommen, die in einer privaten Wirtschaft über die Investitionen entscheiden, niemand sonst. Und sie entscheiden nicht unter dem Gesichtspunkt, ob die gegenwärtigen Gewinne zur Finanzierung der Investitionen ausreichen, sondern ob die Investitionen in Zukunft die gewünschte Rendite erwarten lassen. Ganz egal, ob es für diese Rendite dann wieder eine sinnvolle Verwendung gibt.
     
    Wir haben oben gesehen, dass die Zielrendite privater Investitionen im Shareholder-Value-Wahn der letzten Jahre deutlich gestiegen ist und ihr ausdrücklicher Zweck nicht darin besteht, sie zu reinvestieren, sondern sie auszuschütten. Wenn Unternehmen wie Siemens heute eine Rendite von 19 Prozent anpeilen, dann bedeutet das, eine Investition mit Eigenmitteln von 10 Millionen Euro muss die Erwartung rechtfertigen, jedes Jahr etwa 2 Millionen Euro zusätzlich auf die Konten der Bezieher von Profiteinkommen zu spülen. Nur dann wird diese Investition getätigt. Ob die Profiteure am Ende etwas Sinnvolles mit dem vielen Geld anzufangen wissen, spielt keine Rolle.
    Das
Profitstück
muss also nicht nur groß sein, sondern immer weiter wachsen. Und zwar, wenn das gesamtwirtschaftliche Wachstum niedriger liegt als die angepeilten Renditen, zulasten des
Lohnstücks
und des
Staatsstücks
. Damit werden nicht nur die Lebensverhältnisse der großen Mehrheit der Bevölkerung schlechter. Das Problem, was mit dem vielen Geld im Eigentum weniger geschehen soll, wird ständig größer. Darin liegt die Crux der heutigen Wirtschaftsordnung. Nur in Phasen, in denen es eine selbsttragende Investitionsdynamik gibt, die den Renditen immer wieder neue rentable Anlagemöglichkeiten verschafft, tritt das Problem nicht auf.
    Ansonsten bleibt es eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Wird das
Profitstück
beschnitten, brechen die privaten Investitionen ein. Dasssie seit Jahren niedrig sind, heißt ja nicht, dass es nicht noch sehr viel schlimmer kommen könnte. Das Jahr 2009 hat einen Vorgeschmack darauf gegeben. Wird dagegen zugelassen, dass das
Profitstück
nach Herzenslust wächst, sind die Investitionen trotzdem dürftig,

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