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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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Lohnwachstum kann sogar eine wichtige Rolle dabei spielen, dass der hohe Investitionsbedarf und die Dynamik erhalten bleiben.
    Aber je größer das in den vorhandenen Maschinen und Anlagen investierte Kapital, desto größer sind die sich hinter einer bestimmten Zielrendite verbergenden Profite und desto unwahrscheinlicher wird es, dass es für all diese Profite wiederum eine investive Verwendung gibt. Zumal eine, die erneut die erwartete Zielrendite in Aussicht stellt. Anders als die sogenannten Angebotstheoretiker seit dem französischen Ökonomen Jean-Baptiste Say meinen, entstehen rentable Investitionsgelegenheiten eben nicht aus den Profiten oder mit ihnen. Sie setzen vielmehr zahlungskräftigen gesellschaftlichen Bedarf voraus, immerhin müssen die mit den neuen Kapazitäten erzeugten neuen, zusätzlichen Produkte auch verkauft werden. Hält der Investitionsmotor nicht mehr mit den Profiten Schritt, ist die Dynamik zu Ende.
    Dann gibt es entweder eine tiefe Krise, die so viel Kapital vernichtet, dass der Investitionsbedarf wieder hochschnellt und der ganze Prozess von neuem beginnen kann. Oder die Marktmacht der Unternehmen ist bereits groß genug, um die Entwertung ihres Kapitals zu verhindern. Dann treibt das fortbestehende Streben nach einem möglichst großen
Profitstück
im Volkswirtschaftskuchen die ökonomische Entwicklung nicht mehr an, sondern zieht sie nach unten. Das Profitprinzip ist aus einem Wachstumstreiber zu einem Killer von Wohlstand, Entwicklung und Produktivität geworden.
    Platzhirschökonomie
    Es gibt also einen engen Zusammenhang zwischen der Möglichkeit einer selbsttragenden Investitionsdynamik und der »kreativen Zerstörung« auf offenen Wettbewerbsmärkten. Denn es ist nicht zuletzt diese Zerstörung bereits investierten Kapitals durch Innovation, die die Basis für immer neue Investitionen bereitet. Je größer und teurer allerdings die existierenden Anlagen, desto vehementer auch der Widerstandgegen Kapitalentwertung und desto größer die Macht der kleiner gewordenen Zahl von Anbietern, sie zu verhindern.
    Zum ersten Mal trat dieses Problem schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf. Aus hunderten kleinen Wettbewerbern waren große marktbeherrschende Konzerne geworden, die sich mehr und mehr arrangierten. Neueinsteiger hatten kaum noch eine Chance. Unter solchen Bedingungen wird das Kapital konservativ und »kreative Zerstörung« findet kaum noch statt: Neue Technologien setzen sich nur noch durch, wenn die Großen sie übernehmen. Und das tun sie erst, wenn die alten Anlagen abgeschrieben sind.
    Dabei war die Entwicklung hin zu immer größeren Konzernen und geschlossenen Märkten nicht allein die Folge bewusster Kartellbildung. Was man politisch hätte bekämpfen können, waren die Preis- und Mengenabsprachen zwischen den Anbietern. Aber die Herausbildung von Oligopolen, also die Beherrschung der Branchen durch wenige Großunternehmen, wäre auch durch eine vernünftige Kartellaufsicht kaum zu verhindern gewesen. Denn es waren die technologischen Erfordernisse selbst, gerade im Bereich der Schwerindustrie, doch ebenso in der damals entstehenden chemischen und elektrotechnischen Industrie, die ein immer größeres Kapitalminimum voraussetzten, um überhaupt auf modernstem Stand produzieren zu können. Es ging nur noch groß oder gar nicht.
    Damit konnte es aber auch kein Newcomer mehr mit den am Markt bereits vertretenen Platzhirschen aufnehmen. Denn ein Markt, der bei den Anbietern ein hohes Kapitalminimum voraussetzt, ist kein offener Markt mehr. Neueinsteiger, die ja zunächst klein anfangen müssen, haben dort keine Chance. Dieses Problem wird durchaus gesehen und unter dem Titel »Markteintrittsbarrieren« behandelt. Mit etwas Anstrengung kann man dann sogar zeigen, dass es Spezialfälle gibt, in denen solche Barrieren sinnvoll sein können. Grundsätzlich aber wird dadurch der Kapitalismus sozusagen an seiner entzündeten Wurzel schmerzhaft berührt.
    Die Kartelle und ihre erste große Blase
    Schon Anfang des 20. Jahrhunderts führte die wachsende Marktmacht weniger Anbieter zu den gleichen Ausweichreaktionen, die wir ausjüngster Zeit kennen: Die Investitionsdynamik und der Prozess technologischer Neuerungen ließen nach. Stattdessen floss immer mehr Geld auf die Finanz- und Aktienmärkte. Der Marktwert amerikanischer Aktien vervielfachte sich zwischen 1924 und 1929, während der Sachkapitalstock nur noch langsam wuchs. Eine Steigerung der Profite, die realwirtschaftlich

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