Freiheit statt Kapitalismus
Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der hohe Investitionsbedarf durch den technologischen Fortschritt und den Prozess der »schöpferischen Zerstörung« gewährleistet, also durch die wiederholte krisenhafte Entwertung bereits investierten Kapitals, die immer wieder neuen Wachstumszyklen mit neuer Investitionsdynamik den Weg bereitete.
Mit dem steigenden Kapitalminimum in vielen Zweigen der Produktion wuchsen allerdings auch die Größe und die Marktmacht der Anbieter und damit ihre Fähigkeit, den Markteintritt von Neueinsteigern ebenso zu verhindern wie die vorfristige Entwertung ihrer Investitionen. Der Kapitalismus wurde technologiekonservativ.
In der Nachkriegszeit konnte der Kapitalismus dank extrem hoher Investitionserfordernisse noch einmal für zwei Jahrzehnte seine Dynamik zurückgewinnen. Grund waren die Kriegszerstörungen und der Investitionsbedarf in den entstehenden Massengüterindustrien. In den siebziger Jahren kehrte das Problem mangelnder Nachfrage nach den dem Profitanteil am Volkseinkommen entsprechenden Gütern in akuter Form zurück.
Das neoliberale Programm bestand darin, die Profite, die sich nicht mehr aus einer selbsttragenden Wachstumsdynamik ergaben, durch Umverteilung zulasten der Löhne und Gehälter sowie des Staates und der Sozialleistungen zu erhöhen. Zugleich wurde die Nachfrage durch eine wachsende Kreditaufnahme der Staaten und der Konsumenten erhöht. Außerdem wurde das
Profitstück
– dank der Geldmaschine derBanken – durch finanzielle Luftbuchungen aufgebläht. Im Ergebnis entstand eine historisch beispiellose Vermögens- und Schuldenblase, die heute die Grenze ihrer Wachstumsmöglichkeiten zu erreichen scheint. Ein neues Modell, das für wirtschaftliche Dynamik sorgen könnte, ist im Rahmen der bestehenden Wirtschaftsordnung nicht in Sicht.
Der Kapitalismus kann ohne Wachstum nicht funktionieren, er kann aber nur wachsen, wenn dies ausreichend Profite abwirft, und an dieser Stelle tappt er in seine selbst gestellte Falle.
Im Ergebnis dieser Entwicklungen sinkt der Lebensstandard der Mehrheit der Menschen. Armut in einem lange überwundenen Ausmaß ist in die Industrieländer zurückgekehrt. Infrastruktur, Kultur und Bildung verrotten, weil ausgepowerte Städte und Gemeinden ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können. Das der kapitalistischen Produktion zugrunde liegende Streben nach Profit ist von einem Wachstumsmotor zu einem aggressiven Wohlstandskiller geworden.
6. Blockierter Wandel:
Warum es keinen »Green Capitalism« gibt
»Die hochkonzentrierte und großenteils monopolisierte
fossile Ressourcenwirtschaft ist zum Dreh- und Angelpunkt
der Entstehung und Zementierung von sektorübergreifenden
Wirtschaftskartellen geworden, die
die Gesamtwirtschaft gegen die ökologische Herausforderung
immunisierten.«
Hermann Scheer, Träger des alternativen Nobelpreises
Auch der überfällige ökologische Wandel setzt andere Kriterien des Wirtschaftens voraus als die, die heute die ökonomischen Entscheidungen bestimmen. Wir haben gesehen, dass die entscheidende Voraussetzung wirtschaftlicher Dynamik unter kapitalistischen Bedingungen darin besteht, dass für die angepeilten Renditen immer wieder Investitionsmöglichkeiten bereitstehen, die erneut hinreichende Renditen in Aussicht stellen. Dieses Modell extensiven volkswirtschaftlichen Wachstums funktioniert heute nicht mehr. Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass es jemals wieder funktionieren wird.
Das heißt durchaus nicht, dass uns die Investitionsgelegenheiten ausgegangen sind. Es gibt etwa einen riesigen unerledigten Investitionsbedarf im Zusammenhang mit der nötigen Umstellung der Wirtschaft auf umweltschonende, gesunde und naturverträgliche Produktionsmethoden:vom Übergang zu erneuerbaren Energien über eine nachhaltige chemische Industrie bis zur Mobilität ohne Klimagase. Nahezu jeder erkennt heute an, dass diese Veränderungen notwendig sind und dass wir nicht mehr viel Zeit haben, wenn die natürlichen Grundlagen des menschlichen Lebens nicht irreversibel geschädigt werden sollen. Aber trotzdem läuft das meiste weiter wie bisher. Der überfällige Wandel wird verzögert und verschleppt und findet allenfalls in winzigen Schritten statt. Denn den dringend nötigen Ökoinvestitionen stehen zwei massive Hemmnisse entgegen.
Umbau erst nach Abschreibung
Erster Hinderungsgrund ist das Interesse der Konzerne, den Wandel so lange hinauszuzögern, bis ihr in den alten Technologien investiertes Kapital
Weitere Kostenlose Bücher