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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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Arbeitslosenzahlen als mit der Entwicklung von Börsen, Dividenden und Boni zu befassen. Kapur argumentiert:
    »US-Bürger mit Durchschnittseinkommen haben als Gruppe im Vergleich zu den Vermögenden nicht genügend Geld, um aus ihrem Konsumverhalten die Trends für das Wachstum einer Plutonomy-Wirtschaft zu bestimmen. Die hohen Boni, die an der Wall Street jetzt bezahlt werden, sind in diesem Zusammenhang wesentlich aussagekräftiger.« 101
    Das
Profitstück
ist in den »Plutonomien« so stark gewachsen, dass der aus ihm finanzierte Luxuskonsum zum entscheidenden Faktor der volkswirtschaftlichen Entwicklung geworden ist. Das gilt nicht nur für die USA, sondern ebenfalls für viele Schwellenländer. Allerdings löst selbst der exzessivste und dekadenteste Luxuskonsum der oberen Zehntausend nie so viele Investitionen aus, dass damit das
Profitstück
auch nur annähernd ausgeschöpft würde. Schon deshalb nicht, weil die Luxussektoren im Vergleich zu den Massengüterindustrien weniger kapitalintensiv produzieren und die Investitionserfordernisse entsprechend niedriger sind. Eine stabile wirtschaftliche Dynamik kann es in »Plutonomien« also nicht geben. Ganz abgesehen von der Frage, was von einer Gesellschaft zu halten ist, in der 60 bis 80 Prozent der Menschen einen so geringen Anteil am Wohlstand haben, dass die Veränderung ihrer Konsumausgaben volkswirtschaftlich vernachlässigbar geworden ist. Das Ideal vom »Wohlstand für alle« sah jedenfalls anders aus.
    Aus Unternehmern werden Kapitalisten
    Schumpeter selbst war bekanntlich wenig optimistisch, was die Perspektive des Kapitalismus anbetrifft. Er ging davon aus, dass in demAugenblick, in dem die technologische Entwicklung den Übergang zu immer größeren Unternehmen erzwingt, der Unternehmer in seiner ursprünglichen Bedeutung – als Eigentümer, Ideengeber und Führungskraft – mehr und mehr zurücktritt und irgendwann ganz verschwindet. Mit der Aktiengesellschaft ist für Schumpeter »die Gestalt des Eigentümers und mit ihr das spezifische Eigentumsinteresse von der Bildfläche verschwunden. Es gibt die bezahlten Vollzugsorgane und all die bezahlten Direktoren und Unterdirektoren.« 102 Das Großunternehmen funktioniert so gut oder so schlecht wie die Anreize, die das Entlohnungssystem für seine Mitarbeiter bis hin zum Topmanagement setzt. Den Eigentümern kommt keine produktive Rolle mehr zu. Schumpeter fasst zusammen: »Indem der kapitalistische Prozess ein bloßes Aktienpaket den Mauern und den Maschinen einer Fabrik substituiert, entfernt er das Leben aus der Idee des Eigentums.« 103
    Nach der alten liberalen Tradition waren Eigentum und produktive Arbeit unmittelbar verbunden: Die Möglichkeit zum Eigentumserwerb sollte den Erfindungsgeist und die Leistungsbereitschaft motivieren und so die Wirtschaft insgesamt voranbringen. Dessen ungeachtet war die Trennung von Arbeit und Eigentum und damit die Entwicklung hin zum Diktat nackter Renditekennziffern in der »Idee« des kapitalistischen Wirtschaftseigentums bereits angelegt. Deshalb konnten die heutigen Verhältnisse auch schon zu einer Zeit vorhergesehen werden, als die Wirtschaft oberflächlich betrachtet noch ganz anders funktionierte. Der Historiker Eric Hobsbawm schreibt 1998 in einem Vorwort zum
Kommunistischen Manifest,
dass Marx eigentlich erst seit Ende des 20. Jahrhunderts wirklich aktuell ist, weil die Welt, die er 1848 »mit düsterer, lakonischer Eloquenz beschreibt, unübersehbar die Welt ist, in der wir 150 Jahre später leben«. 104 Auch der Soziologe Oskar Negt weist in seiner Abschiedsvorlesung von 2003 darauf hin, dass das Kapital »erstmalig in der modernen Welt genauso funktioniert, wie Marx es in seinem ›Kapital‹ beschrieben hat«. 105
    Im heutigen Kapitalismus gilt uneingeschränkt, was Marx die »Herrschaft des Tauschwertes über den Gebrauchswert« nennt. Zahlen gelten mehr als Sachen, Bereicherung steht vor Bedarf und Genuss. Nur so ist der extreme Druck in Richtung hoher Renditen verständlich, dieimmerhin zum größten Teil einer sozialen Schicht zugutekommen, die sich längst alle denk- und vorstellbaren Bedürfnisse erfüllen kann. Wer bereits 100 Millionen hat, lebt nicht dadurch besser, dass er noch einmal 10 Millionen dazubekommt, von Leuten, deren Vermögen in die Milliarden geht, ganz zu schweigen. Ob die Rendite auf ihr Vermögen 0 Prozent beträgt oder 5 oder 20, spielt für den Lebensstandard eines Multimillionärs oder Milliardärs keine Rolle.

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