Freiheit statt Kapitalismus
Volkswirtschaftskuchen gänzlich aus dem Leim gehen und alle im letzten Kapitel betrachteten Probleme würden sich verschärfen. Auch dürfte das auf halbwegs demokratischem Wege kaum durchzusetzen sein. Steht hingegen niemand mit offener Brieftasche bereit, um die Renditen zu bezahlen, werden die Investitionen nicht stattfinden. Egal wie dringend der Bedarf und wie hoch die
Umwelt rendite
ist. Mit der heutigen Förderung und Subventionierung wird es also im besten Fall zu einem langsamen – viel zu langsamen! – Wandel kommen. Ein dynamischer »Green Capitalism« ist nicht in Sicht.
Denkbar wäre eine neue Dynamik allenfalls, wenn – auf welche Art immer – die derzeitige unkreative Zerstörung produktiver Kapazitäten so weit getrieben wird, dass die Wirtschaft noch einmal von ganz unten neu starten muss, wie sie das nach dem Zweiten Weltkrieg getan hat. In einer solchen Situation wären im Zuge des Wiederaufbaus einer dann umweltverträglicheren Industrie ein, zwei dynamische Jahrzehnte denkbar. Einer solchen Situation würde allerdings – wie der Nachkriegszeit – so unendlich viel Leid, Armut und Not vorhergehen, dass die Menschheit schlecht beraten wäre, lammfromm abzuwarten, ob dem Kapitalismus im tiefsten Tal der Tränen irgendwann ein dynamischer Neustart gelingt. Zumal auch dann nach einem überschaubaren Zeitraum die ganze Malaise von vorn beginnen würde. Diese Variante ist also in keiner Weise wünschenswert.
Öko für Besserverdiener
Die andere, ebenso wenig wünschenswerte Variante, dem ökologischen Wandel unter kapitalistischen Bedingungen zum Durchbruch zu verhelfen, ist die Ökodiktatur. Diese würde, weit rabiater als das unter demokratischen Verhältnissen möglich ist, Mehrheiten zwingen, die Ökoinvestitionen und die auf sie beanspruchten Renditen mit Wohlstandsverlusten zu bezahlen. Die Ökonomie würde so tatsächlich »grüner«. Nicht zuletzt dadurch, dass unter solchen Bedingungen immer größere Teile der Bevölkerung von dem im letzten Jahrhundert durchgesetzten Konsummodell wieder ausgeschlossen würden. Im Umfeld der Partei Die Grünen scheinen solche Ideen immer wieder auf, wenn auch meist hintergründig und selten offen.
Der Vorschlag etwa, Mobilität oder privaten Energieverbrauch noch stärker zu verteuern, als es sowieso schon der Fall ist, hätte genau diesen Effekt: Der Normalverdiener müsste seine Heizung drosseln und im nächsten Urlaub zu Hause bleiben. Auch die oft mit großem Pathos vorgetragene Verachtung von Discounter-Lebensmitteln und Lobpreisung von Bio- und Ökoprodukten ist, sofern sie mit der Akzeptanz heutiger Verteilungsverhältnisse einhergeht, durchaus nicht so edel, wie sie sich gibt. Natürlich schmecken Bioprodukte besser und sind gesünder als die mit Herbiziden verseuchte, mit Hormonen aufgepumpte oder gar genetisch manipulierte Standardware. Aber eine flächendeckende Durchsetzung der Bioprodukte und Verdrängung der Billiglebensmittel würde bei heutiger Einkommensverteilung schlicht bedeuten, dass sich noch mehr Menschen noch weniger elementare Konsumbedürfnisse erfüllen können. Einen Hartz-IV-Empfänger zu belehren, dass er etwas für sich und die Natur tut, wenn er im Bioladen statt bei Aldi kauft, ist ignorantes Geschwätz von Besserverdiener-Ideologen. Auch die schleichende De-Industrialisierung ganzer Regionen – mit allen schlimmen sozialen Folgen – erscheint denen, die es nicht trifft, gern als ökologischer Fortschritt.
Wer den Ökowandel will und den Kapitalismus nicht infrage stellt, landet letztlich bei solchen Konzepten. Allerdings dürfte selbst diese inhumanste Form der Umsetzung des ökologischen Umbaus keine besondere wirtschaftliche Dynamik auslösen. Irgendwann wäre derInvestitionsbedarf erschöpft und das völlig überdimensionierte
Profitstück
würde den ganzen Kuchen erdrücken.
Keine neue »lange Welle«
Der Kapitalismus wird, wie wir gesehen haben, seine Dynamik nur zurückgewinnen, wenn ein neuer extensiver Wachstumszyklus in Gang gesetzt werden kann. Der ökologische Umbau schließt natürlich künftiges Wachstum der Wirtschaft nicht aus, sondern würde es – auf nachhaltiger Basis – überhaupt erst ermöglichen. Aber auch das wird sehr wahrscheinlich kein Wachstum nach dem alten Muster sein, in dem die Investitionserfordernisse im Gleichschritt mit den stetig steigenden Produktionsmengen wachsen. Viele moderne Produkte und Technologien zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine steigende Nachfrage ohne
Weitere Kostenlose Bücher