Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Titel: Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Grüter
Vom Netzwerk:
Vortrag brauchte er Ruhe. Alle wussten das. Tock! Tock! Sollte er die Rezeption anrufen und sich noch einmal ausdrücklich »Privacy« ausbedingen? Unschlüssig schielte er auf den Telefonhörer. Tock!! Tock!! Er warf die Blätter des Vortragsskripts auf den Tisch und stand seufzend auf. Wahrscheinlich hatte irgendeiner seiner Leser die Nummer seines Hotelzimmers erfahren. Damit konnte er umgehen. Er öffnete die Tür, soweit die Sicherungskette es zuließ, und spähte nach draußen.
    Der Mann und die Frau draußen sahen nicht aus wie die typische Klientel seiner Vorträge. Zu jung. Der Mann vielleicht dreißig, sauber gescheitelt mit dunklen, aber nicht schwarzen Haaren. Die Frau stand hinter ihm, so dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte, aber von ihrer Haltung her wirkte sie eher jünger als der Mann. Nein, keine Fans. Zu vornehm. Zu gelassen. Vielleicht die Hoteldirektion?
    »Ja?«, sagte er vorsichtig.
    »Guten Tag, Herr Notarius«, sagte der Mann. »Wir bedauern aufrichtig, Sie stören zu müssen. Der Eine möchte Sie sehen.«
    »Wer?«
    »Der Eine. Der Große. Der Herrscher der Welt. Und Sie sollten ihn nicht warten lassen. Er hat wenig Zeit.«
    Er starrte die beiden an. Sie sahen nicht verrückt aus. Andererseits: wie sehen Verrückte aus? Wie die Typen, die ihm nach seinen Vorträgen ihre Manuskripte aufdrängten?
    Die Frau ergriff das Wort: »Herr Notarius, wir stellen Ihnen natürlich
frei, uns zu begleiten. Wir sind aber davon überzeugt, dass sie den Einen gerne treffen würden, und er hat sich einige Minuten seiner wertvollen Zeit für Sie freigehalten. Bitte machen Sie uns die Freude und kommen Sie mit uns.«
    Was ihn überzeugte, war ihre Stimme. Der unbestimmbare Akzent und der reine, musikalische Klang. Jeder Satz wie von geheimnisvoller Musik unterlegt. Beinahe betäubt schloss er die Tür, befreite das Ende der Kette aus der Metallschiene und öffnete die Tür. Er erwartete fast, dass die beiden verschwunden waren, aber sie standen noch dort. Er sah den Mann an, kurz, und dann die Frau. Sie war nicht mehr jung, aber auch nicht alt, mit ebenmäßigen, fast orientalischen Zügen. Von ihr ging eine zeitlose Anziehung aus, eine fast greifbare Aura des Weiblichen. Die eingelassenen Halogenspots in der Decke des Flurs streuten funkelnde Sterne in ihre nachtschwarzen Haare. Ihre dunklen Augen sahen ihn mit ruhiger Erwartung an.
    »Gehen wir«, sagte der Mann.
    Sie wandten sich um und gingen voraus, ohne sich nach ihm umzudrehen. Sie versuchten gar nicht, den öden Smalltalk aufzuziehen, zu dem sich offenbar jeder sonst verpflichtet fühlte. Dann standen sie plötzlich alle drei im Fahrstuhl. Notarius suchte krampfhaft nach Worten.
    »Wie haben Sie ihn genannt?«, fragte er den Mann.
    »Wen?«
    »Den … na, den Herrscher der Welt?«
    Jetzt, da er es aussprach, kam er sich dumm vor. Es gab keinen Herrscher der Welt. Das war ihm schon lange klar geworden. Auch wenn er in seinen Vorträgen immer wieder die Verborgenen Gralsritter mit ihrem nie gefundenen Schloss als Herrscher der Welt bezeichnete. Immer wieder neue Beweise dafür vorlegte, die er angeblich auf seinen Weltreisen gesammelt hatte. Inzwischen glaubte er ebenso wenig daran wie ein Staubsaugervertreter an seine Staubsauger. Sogar sein Pseudonym wäre er gerne losgeworden. Er hätte sich doch denken können, dass aus Notarius, dem getreuen Protokollanten,
nach einer Weile
notorious
werden würde. Hinter seinem Rücken nannte ihn der gesamte Verlag so. Und die verdammten Zeitungen. Er zwang sich, dem Mann zuzuhören, der eben zu einer Antwort angesetzt hatte.
    »Wir nennen ihn den Einen«, antwortete der Mann. »Sehen Sie, er braucht keinen Titel. König, Kaiser, Präsident, Führer, Maximo Lider. Das wäre nichts für ihn. Es gibt ihn nur einmal. Also ist er der Eine.«
    Der Fahrstuhl bremste, als die Anzeige auf R für Rezeption umsprang. »Bitte erschrecken Sie jetzt nicht«, sagte die Frau und schob mit einer schnellen Bewegung eine Magnetkarte in einen Schlitz unter den Druckknöpfen für die Stockwerkswahl. Dann drückte sie die Knöpfe in scheinbar zufälliger Reihenfolge und zog die Karte wieder heraus. Der Fahrstuhl schien zu fallen, Notarius fühlte, wie sein Magen gegen das Zwerchfell schlug. Ihm wurde schwindelig, und er musste sich gegen die Wand lehnen. Der Mann klappte neben ihm einen verborgenen Sitz an der Wand aus: »Bitte setzen Sie sich doch. Wenn der Fahrstuhl bremst, könnten Sie stürzen.«
    Er ließ sich auf den Sitz sinken

Weitere Kostenlose Bücher