Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
haben seine abstrusen Thesen besonders unter Rechtsextremisten in aller Welt beträchtlichen Einfluss.
In Deutschland verbreitet der Autor Jan Udo Holey unter dem Pseudonym Jan van Helsing die These, die Illuminaten, eine zionistisch-freimaurerische Elite, bildeten eine geheime Weltregierung. Dabei verweist der Autor unter anderem auf
die Protokolle der Weisen von Zion
, eine üble antisemitische Fälschung aus der Zeit um 1900 (siehe Kapitel 9 ).
Wie kommen die Illuminaten zu solchen posthumen »Ehren«? Dazu sollte man bedenken, dass das ausgehende 18 . Jahrhundert eine Zeit des radikalen Umbruchs war. Die Philosophen der Aufklärung stellten das überkommene christliche Weltbild in Frage und bestritten die göttliche Legitimation weltlicher Monarchen. Die neugegründeten Vereinigten Staaten von Amerika übernahmen aufklärerisches Gedankengut in ihre Unabhängigkeitserklärung und organisierten sich als Republik und parlamentarische Demokratie. Die Französische Revolution vernichtete die Monarchie und den Adel eines der mächtigsten Staaten Europas. Vor diesem Hintergrund gediehen Verschwörungstheorien damals ebenso prächtig wie heute.
Für die deutschen Konservativen bedeutete der Illuminaten-skandal eine Gelegenheit, die verhassten Aufklärer endlich einmal festzunageln. Sie hatten Freimaurer und Liberale schon lange im Verdacht, staatliche Autorität untergraben zu wollen, und das radikal-aufklärerische Programm der Illuminaten lieferte ihnen endlich einen konkreten Ansatzpunkt.
Das erklärte Vorhaben der Illuminaten, zur Durchsetzung aufklärerischer Ziele heimlich Männer in hohen Positionen zu rekrutieren, machte sie natürlich zum Ziel von Verdächtigungen, und zwar nach ihrer Aufhebung noch mehr als vorher. Antiaufklärerische Schriftsteller wie der Gießener Regierungsdirektor Ludwig Adolf Christian von Grolman trugen in besonderem Maße dazu bei, den Orden nachträglich zu dämonisieren. Der französische Ex-Jesuit Abbé Barruel unterstellte (u.a. mit Bezug auf Grolmanns Schriften) den Illuminaten in seinem vierbändigen langatmigen Werk
Mémoirs pour servir à l’histoire du Jacobinisme
von 1797 / 98 , sie seien zusammen mit den Freimaurern und den Philosophen der Aufklärung für die Französische Revolution verantwortlich. Mehr noch: Barruel behauptete, diese Gruppen seien nur Teil einer uralten Verschwörung, die sich nicht nur gegen die katholische Kirche und den französischen König richtete, sondern gegen Religion, Regierung und Privatbesitz überhaupt. Er traf den Nerv seiner Zeit:
Das monumentale Werk verkaufte sich ausgezeichnet und erschien bis 1812 in 10 europäischen Sprachen, darunter Deutsch, Englisch, Russisch und Italienisch. Es beeinflusste weitere verschwörungstheoretische Werke bis weit ins 20 . Jahrhundert hinein.
Der angesehene schottische Philosophieprofessor John Robison schrieb zur etwa gleichen Zeit ( 1797 ) ein Buch mit dem pompösen Titel
Proofs of a Conspiracy Against All Religions and Governments of Europe carried on in the Secret.
Darin brandmarkte er die Illuminaten als eine Perversion der Freimaurerei und unterstellte ihnen ebenfalls eine Reihe von finsteren Absichten und Taten. Auch dieses Buch erlebte zahlreiche Auflagen und dient englischen und amerikanischen Autoren bis heute als Vorlage für ihre Verschwörungstheorien. Es ist sowohl in Englisch als auch in Deutsch immer noch lieferbar.
Beide Autoren gingen mit Zahlen, Daten und Fakten recht großzügig um, was aber der Verbreitung ihrer Bücher keinen Abbruch tat. So sahen sie beispielsweise darüber hinweg, dass die Illuminaten Deutsche waren und keine Franzosen zu ihren Mitgliedern zählten. Das lässt an ihrer Verantwortung für die Französische Revolution doch ernste Zweifel aufkommen.
Während Abbé Barruel aus katholischer Sicht schrieb, verurteilte Robison die Illuminaten aus der Perspektive des Protestanten. Damit bereiteten sie den Weg für Verschwörungstheorien aus beiden christlichen Lagern. Das Buch von Robison fand sehr schnell seinen Weg in die USA . Dort sahen die Kirchen nach der Unabhängigkeit von 1776 ihren Einfluss schwinden. Die in der Verfassung der Vereinigten Staaten verordnete Trennung von Kirche und Staat machte ihnen schwer zu schaffen. In Neu-England mussten Prediger wie der wortgewaltige Jedidiah Morse ihr Eingreifen in die Politik immer häufiger rechtfertigen. Für Morse war Robisons Buch deshalb ein Glücksfall: Es verschaffte ihm einen ausgezeichneten
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