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Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Titel: Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Grüter
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In den meisten arabischen Ländern finden sich bis heute immer wieder solche Schriften, Artikel oder Fernsehsendungen. Erst im März 2002 veröffentlichte die regierungsamtliche saudische Tageszeitung Al-Riyadh einen Artikel von Dr.Umayma Ahmad Al-Jalahma von der King Faysal University in Al-Dammam unter dem Titel: »Juden verwenden das Blut von Jugendlichen im Purimgebäck.« Der Artikel beschreibt in – frei erfundenen – blutrünstigen Einzelheiten angebliche Ritualmorde an christlichen und moslemischen Jugendlichen als notwendige Bestandteile jüdischer Feste. Der Herausgeber der Zeitung entschuldigte sich hinterher – aber der Schaden war natürlich angerichtet.

Verschwörungen: Glauben, Legende und Theorie
    Manche Verschwörungstheorien finden keine Resonanz, während andere auf fruchtbaren Boden fallen. So entwickelten die frei erfundenen Ritualmordbeschuldigungen gegen die Juden ein mörderisches Eigenleben, während andere, ähnlich realitätsferne Behauptungen (z.B.  US -Präsident Bush sei ein getarnter außerirdischer Reptilienmensch) lediglich Kopfschütteln und Gelächter hervorrufen.
Die Grundlage einer erfolgreichen Verschwörungstheorie lautet: Es muss ein
Verschwörungsglauben
vorgeprägt sein, ein latentes Misstrauen gegen eine andere soziale, ethnische oder religiöse Gruppe. Viele Menschen glaubten der Behauptung von Thomas von Monmouth, weil sie ihrem untergründigen Misstrauen gegen Juden einen konkreten Anhaltspunkt gab. Auch andere Beispiele lassen sich leicht finden: Im England des siebzehnten Jahrhunderts waren viele Menschen davon überzeugt, dass die Katholiken ein Massaker an der englischen Bevölkerung planten. In der Gegenwart gehen viele Menschen davon aus, dass die amerikanische Regierung über Leichen geht, um ihre finsteren Ziele durchzusetzen.
    Ein Verschwörungsglauben ist noch keine Theorie. Es geht hier nur um Gefühle, dumpfe Ahnungen, geflüsterte Vermutungen, Marktklatsch, Stammtischreden. Erst wenn jemand auf diesem morastigen Fundament ein in sich geschlossenes Gedankengebäude errichtet, können wir von einer
Verschwörungstheorie
sprechen. Die Logik dieser Theorie muss nicht besonders zwingend sein. Wenn die Aussage einer Verschwörungstheorie mit dem eigenen Weltbild übereinstimmt, akzeptieren die Menschen auch widersprüchliche oder offensichtlich unwahre Behauptungen.
    Verschwörungsglauben und Verschwörungstheorie treffen sich an gewissen Ereignissen, die auf der einen Seite den Verschwörungsglauben bestärken und auf der anderen Seite als Fixpunkte für Verschwörungstheorien dienen. Ich möchte diese Ereignisse als
Verschwörungslegenden
bezeichnen, in Anlehnung an die so genannten modernen Legenden (Urban Legends), die auch urbane Mythen oder Wanderanekdoten genannt werden. In Deutschland ist dieses Phänomen moderner Mythenbildung besonders durch die Bücher
Die Spinne in der Juccapalme
und
Die Maus im Jumbojet
des Volkskundlers Rolf Wilhelm Brednich bekannt geworden. Dazu gehört zum Beispiel die Geschichte von der Vogelspinne, die mit einer Juccapalme den weiten Weg von Südamerika angetreten hat, um einen harmlosen Mitteleuropäer in seinem Wohnzimmer zu erschrecken oder gar zu beißen. Ebenfalls zu den urbanen Mythen gehört
die Geschichte von den Umkleidekabinen in Modeboutiquen in Marseille, die in Wirklichkeit getarnte Mädchenfallen sein sollen. Blonde Frauen aus Mittel- und Nordeuropa sollen dort gefangen und in die Harems reicher Araber verkauft werden.
    Alle urbanen Mythen sind mit den Ammen- oder Schauermärchen verwandt. Der Ritualmord der Juden an christlichen Kindern ist ein solches Schauermärchen. Wir dürfen annehmen, dass solche und ähnliche Geschichten über die Juden im mittelalterlichen und frühmodernen Europa weit verbreitet waren und dass Ammen, Köchinnen und Kindermädchen sie tatsächlich den Kindern erzählt haben, zusammen mit Geschichten über Friedhofsgeister, Moorgespenster, Wiedergänger, Teufelsmarken, Höllenlöcher oder nächtliche Geisterhunde.
    Eine Verschwörungslegende entsteht also aus der Umdeutung von Ereignissen oder Schauergeschichten im Sinne eines Verschwörungsglaubens. Thomas von Monmouth beispielsweise hat den Verschwörungsglauben der Bevölkerung ausgenutzt, um aus dem unbestrittenen Mord eine Verschwörungslegende zu stricken (den Ritualmord), und setzte gleich eine Verschwörungstheorie oben drauf (die Lügengeschichte des Mönchs Theobald von Cambridge).
     
    Diese begriffliche Dreiteilung erlaubt

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