Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
Regierungsmitglieder und hohe Beamte vorzuladen. Davon machte er in den folgenden Monaten ausgiebig Gebrauch und zitierte ranghohe Regierungsmitarbeiter vor den Ausschuss, um ihnen die absurdesten Verfehlungen vorzuwerfen. Die Arbeit begann ihm über den Kopf zu wachsen, und er stellte zwei Mitarbeiter ein, die ihm helfen sollten: Roy Cohn und David Schine.
Cohn war ein junger Anwalt, der sich bereits im Prozess gegen die angeblichen Atomspione Julius und Ethel Rosenberg durch seinen strammen Antikommunismus hervorgetan hatte. David Schine, ebenso jung, war Sohn eines Hotel- und Kinokettenbesitzers. Seine Qualifikation bestand aus einem sechsseitigen Pamphlet gegen den Kommunismus, das er in der Hotelkette seines Vaters auszulegen pflegte, sowie seiner Freundschaft mit Roy Cohn.
Mit der Autorität des Ausschusses im Rücken begannen McCarthy und seine beiden Helfer eine gnadenlose Kommunistenjagd in verschiedenen Regierungsbehörden, dem konservativen Rundfunksender
Voice of America
sowie verschiedenen amerikanischen Einrichtungen in Europa. McCarthy stand jetzt auf dem Höhepunkt seiner Macht. Die republikanische Regierung bemühte sich, so wenig Angriffspunkte wie möglich zu liefern, und ließ die von McCarthy herausgepickten Mitarbeiter meist unauffällig aus dem Dienst entfernen und auf unbedeutende Posten versetzen.
Im Herbst 1953 nahm sich McCarthy die Armee vor. Ein Armeezahnarzt sei Mitglied der kommunistischen Partei und die Armeeführung habe davon gewusst, so sagte er. Monatelang verfolgte er den Fall mit aller Verbissenheit, lud den Zahnarzt vor und dessen kommandierenden General Ralph W. Zwicker.
Dann begann sich das Blatt aus einem banalen Grund zu wenden: David Schine sollte zur Armee eingezogen werden. Cohn wollte das verhindern und setzte dafür alle Hebel in Bewegung. Er alarmierte den Verteidigungsminister, den Heeresminister, den Geheimdienstchef. Umsonst: Die Armee ließ sich nicht erweichen, Schine rückte ein. Nach weiteren hektischen Aktionen gelang es Cohn, Schine von der Grundausbildung weitgehend zu befreien und zu McCarthys Ausschuss abkommandieren zu lassen. Die in Washington schon länger umgehenden Gerüchte einer sehr speziellen Freundschaft zwischen Cohn und Schine gewannen an Glaubwürdigkeit, McCarthys Kampagne gegen Homosexuelle hingegen geriet an den Rand der Lächerlichkeit.
Zu Beginn des Jahres 1954 warf die Armee McCarthy vor, im Fall David Schine unzulässigen Druck ausgeübt zu haben.
McCarthy musste sich ab April 1954 vor einem eigens eingerichteten Untersuchungssausschuss des Senats rechtfertigen. Die Anhörung wurde erstmals im Fernsehen übertragen. Joseph Welch, Rechtsanwalt und Sonderberater des Heeres, nutzte die Gelegenheit und nahm McCarthy nach allen Regeln der Redekunst öffentlich auseinander. In die Annalen der amerikanischen Geschichte gingen seine folgenden Sätze ein:
»Sie haben genug angerichtet. Haben Sie überhaupt keinen Sinn für Anstand? Ist Ihnen denn kein Sinn für Anstand geblieben?«
McCarthy schwitzte, brüllte, wich aus, berief sich auf Erinnerungslücken, beklagte sich, unterbrach andere Zeugen, aber es half ihm nichts: Sein Nimbus war gebrochen.
Am 2 .August 1954 beschloss der Senat, dass McCarthys Verhalten für einen Senator ungehörig sei und geeignet sei, den Senat in Verruf zu bringen. Unter diesen Schlägen brach das System McCarthy
zusammen. Er trat zwar nicht zurück, er behielt sogar den Vorsitz in seinem Ausschuss, aber er verbreitete keinen Schrecken mehr. Roy Cohn kündigte und ging nach New York zurück, um seine Anwaltskarriere fortzusetzen. David Schine hatte sich schon vorher zurückgezogen.
McCarthy erhob weiterhin ungeheuerliche Anschuldigungen gegen alles und jeden, aber er überzeugte nicht mehr. Und er wurde krank. Immer mehr Zeit verbrachte er im Krankenhaus. Zum Alkoholentzug – wie viele Journalisten spekulierten. Er hatte immer schon viel getrunken, und nach seinem Absturz, so meinten viele, hing er wohl endgültig an der Flasche. Das ist jedoch keineswegs sicher. Vermutlich hätte er wegen einer nie auskurierten Leberentzündung überhaupt keinen Alkohol trinken dürfen, brachte aber nicht die notwendige Selbstbeherrschung auf. Joseph McCarthy starb am 2 .Mai 1957 in Bethesda, Maryland, an einem akuten Leberversagen. Er wurde nur 49 Jahre alt.
Parallel zu McCarthys Kommunistenhatz tagte der Ausschuss für unamerikanische Aktivitäten des Repräsentantenhauses. Er suchte nach kommunistischen
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