Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
er schwenkte tatsächlich ein Papier, auf dem die Namen hätten stehen können.
Verschiedene Zeitungen berichteten in den nächsten Tagen über die angebliche kommunistische Unterwanderung des Außenministeriums, eine wirkliche Sensation sah aber wohl niemand darin. Das Ministerium bat McCarthy, die Liste zur Verfügung zu stellen, denn dem Außenminister war nichts über die Kommunisten unter seinen Angestellten bekannt. McCarthy antwortete, er habe nicht gesagt, dass 205 Mitarbeiter des Ministeriums Kommunisten seien, er habe lediglich von » 205 schweren Sicherheitsrisiken« gesprochen. Eine Liste kam im Außenministerium nie an. Einige Tage später erklärte McCarthy in Salt Lake City, er verfüge über die Namen von 57 Mitarbeitern des Außenministeriums mit gültigen Mitgliedsausweisen der kommunistischen Partei. Im Außenministerium war man nunmehr ernstlich irritiert. Einer der leitenden Beamten kommentierte: »Wir wissen nichts von Mitgliedern der kommunistischen Partei im Ministerium, und sollten wir welche entdecken, werden wir sie sofort entlassen.«
Der Kommunismus sowjetischer Prägung galt in den USA Anfang der fünfziger Jahre als schlimmste Bedrohung der amerikanischen Sicherheit, wenn nicht sogar der Sicherheit der gesamten freien Welt. Die Sowjetunion hatte den Amerikanern die Baupläne für die Atombombe gestohlen und baute seit 1949 eigene Nuklearwaffen. Im gleichen Jahr hatte Mao mit sowjetischer Waffenhilfe China erobert und die von den USA unterstützten Truppen Tschiang Kai-scheks nach Taiwan vertrieben. Schon vorher hatte die Sowjetunion die Staaten Ost- und Mitteleuropas unter ihre Herrschaft gezwungen und überall kommunistische Marionettenregime installiert.
Der hoffnungsvolle Frieden nach der Niederringung Nazi-Deutschlands war nur fünf Jahre später dem Kalten Krieg gewichen. Die kommunistische Sowjetunion, im Zweiten Weltkrieg noch Verbündeter, war zum schlimmsten Feind der USA geworden. Wie konnte es also sein, dass 57 oder 205 Kommunisten im Außenministerium Dienst taten?
Der Senat forderte McCarthy auf, seine Anschuldigungen zu belegen. Mit einer zum Bersten gefüllten Aktentasche erschien er vor den Senatoren und kündigte 81 Fälle an, die er anonym vorstellen werde.
81 ? Richtig: 81 , er hatte zu seinen 57 Fällen bereits 24 neue gefunden. Und die ursprüngliche Zahl von 205 ? »Ich glaube nicht, dass ich die Zahl 205 erwähnt habe«, antwortete McCarthy glatt, »Ich glaube, ich habe gesagt: ›Mehr als zweihundert‹».
Er werde Fälle vorlegen, sagte McCarthy, die eine
deutliche Verbindung
zum Kommunismus hätten, nicht unbedingt ein Parteibuch der Kommunistischen Partei. Auch wollte er nicht behaupten, dass alle 81
zur Zeit
im Außenamt beschäftigt waren.
Nach diesem vielversprechenden Beginn löste sich die Vorstellung der Einzelfälle in völlige Konfusion auf. Die Nummern 15 , 27 , 37 und 59 fehlten, 3 und 4 bezeichneten die gleiche Person, ebenso 9 und 77 .
Im weiteren Verlauf wurde das Verwirrspiel zur Posse. McCarthy bewies nichts, aber er hielt seine Beschuldigungen aufrecht. Er gab auf die Fragen anderer Senatoren lange, polemische und sinnlose Antworten. McCarthy nahm
niemals
etwas zurück. Er veränderte Behauptungen unter dem Vorwand, sie zu bekräftigen, oder stritt ab, bestimmte Dinge jemals gesagt zu haben. Nicht selten erhob er seinerseits wilde Beschuldigungen gegen seine Kritiker. Unter keinen Umständen aber gab er einen Fehler zu.
Nach der für ihn blamablen Senatsanhörung hätte seine Karriere zu Ende sein können, aber jetzt geschah ein politisches Wunder: Die Berichte über seinen Auftritt vor dem Senat hatten bei vielen Amerikanern den Eindruck geweckt, hier gehe endlich ein Senator entschlossen gegen den kommunistisch-intellektuellen Filz in den Bundesbehörden vor. Sie hielten Universitäten für Horte des Kommunismus und sahen mit Misstrauen, dass ein guter Abschluss in Geschichte oder Politik der Universitäten Harvard, Princeton oder Yale eine Freikarte für eine Karriere in den Ministerien zu sein schien.
Tatsächlich hatte der Kommunismus auf viele Studenten in den dreißiger Jahren eine enorme Anziehungskraft ausgeübt. Die Idee einer Überwindung der Unterdrückung des Menschen durch den Menschen auf der Grundlage einer historisch notwendigen Entwicklung faszinierte sie. Natürlich irritierte es sie, dass Stalin die Unterdrückung unmenschlich verschärfte, um ihre Abschaffung voranzutreiben. Viele glaubten zunächst der
Weitere Kostenlose Bücher