Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
Menschen so unheimlich wie der Zufall. In jeder Wochenendbeilage von Tageszeitungen, jeder Frauenzeitschrift und jeder Klatschzeitung sagt ein Horoskop, nach Sternzeichen geordnet, die Zukunft voraus. Das ist erstaunlich, wo doch niemand daran glaubt, jedenfalls niemand, den man danach fragt. Dennoch: Im tiefsten Inneren stellen wir uns die Zukunft lenkbar vor, den Zufall besiegbar, die Natur beseelt und von einem Willen gesteuert. Dies ist ein generelles Merkmal menschlichen Denkens.
Alle Völker, ausnahmslos alle, beten Götter an, die den Lauf der Welt lenken. Die Götter der Naturvölker bestimmen das Wetter, das Jagdglück, den Verlauf von Kriegen, die Ernte und die Gesundheit. Bei den Kulturvölkern zogen sich die Götter schon vor Jahrtausenden in höhere Gefilde zurück und überließen Halbgöttern und niederen Geistern die direkten Eingriffe in die Welt der Menschen. Im antiken Griechenland schützten Nymphen die Flüsse und Quellen, Dämonen sprachen zu den Menschen als innere Stimmen, und Erinnyen jagten die Frevler gegen das heilige Recht, um sie in den Wahnsinn zu treiben.
Die moderne Religionswissenschaft beschreibt einen Dämon als übermenschliches, meist bedrohliches oder böses Geistwesen. Dämonen kommen in allen Kulturen vor. Aus der jüdischen Mythologie beispielsweise stammt die unheimliche Lilith, die erste Frau Adams. Der Legende nach wollte sie ihm nicht untertan sein und verließ ihn im Streit, um unter die Nachtdämonen zu gehen. Mit ihnen verkehrt sie und gebiert in jeder Nacht tausend neue Quälgeister. Des Nachts fliegt sie auf schwarzen Flügeln in die Welt der Menschen, verführt Männer, gefährdet Schwangere und tötet männliche Säuglinge. Ein Amulett mit den Namen der drei Engel Sanvai, Sansanvi und Semangloph schützt die Babys, wenn man es ihnen um den Hals legt.
Dieser Mythos beleuchtet gleich mehrere Seiten der Dämonenlegenden.
Er beschreibt Lilith als ein von menschlichen Gefühlen getriebenes Wesen. Sie fühlt sich von Adam ungerecht behandelt und rächt sich dafür an allen Männern. Sie leidet darunter, dass sie nur Dämonen gebären kann, und löst darum bei Schwangeren Fehlgeburten aus. Auf ihr böses Wirken führten abergläubische Menschen vor der Zeit der modernen Medizin auch den plötzlichen Tod von Säuglingen zurück. Mit dieser Erklärung zogen die Menschen die unbegreiflichen Naturkräfte auf die Ebene des Zwischenmenschlichen herab und gaben ihnen ein Gesicht. Jetzt konnte man sie begreifen und berechnen, bitten und bannen.
Viele aktuelle Verschwörungsthemen tragen alle Kennzeichen eines Dämonenglaubens. So kursierte ab den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in der amerikanischen UFO -Gemeinde die Geschichte von den »Männern in Schwarz ». Wer der Wahrheit über die UFOs zu nahe kam, so lautete die Legende, werde von Männern in schwarzen Anzügen aufgesucht, eingeschüchtert oder sogar getötet. Sie kommen allein, zu zweit oder zu dritt, bewegen sich eigentümlich und sprechen akzentuiert, aber fremdartig. Ebenso dämonische Züge trägt die Legende von den schwarzen Hubschraubern ohne jede Kennzeichnung, die angeblich nachts die ländlichen Gegenden Amerikas heimsuchen. Hat der Glauben an schwarze Helikopter noch einen gewissermaßen greifbaren Gegenstand, so ist der ebenfalls weit verbreitete Glauben an eine geheime Weltverschwörung vollkommen mystisch. Seit rund 200 Jahren behaupten Verschwörungstheoretiker immer wieder, der Illuminatenorden sei nicht aufgelöst worden, sondern habe sich über die ganze Erde verbreitet und übe einen verderblichen Einfluss auf das Weltgeschehen aus. Dabei sehen die Verschwörungsgläubigen die Illuminaten als treibende Kraft ihrer jeweiligen Gegner an.
Die englische Verschwörungstheoretikerin Nesta Webster sah 1924 die Illuminaten nicht nur als Exponenten von Tempelrittern, Kabbalisten und Rosenkreuzern, sondern behauptete, sie hätten auch die Russische Revolution angestiftet. Die Illuminaten, so fuhr sie fort, seien vermutlich im Bunde mit einer »Alldeutschen Macht«
und einer »jüdischen Macht«. Sie wollte sich nicht festlegen, wer von den dreien den Ton angab.
In den sechziger Jahren erkannten auch radikale protestantische Gruppen in den USA die Illuminaten als den verborgenen Erzfeind. Großen Einfluss in der rechten Szene in den USA hatte das 1991 erschienene Buch
The New World Order
des Fernsehpredigers Pat Robertson. Es macht die Illuminaten für die Französische und die Russische
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