Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
häufigere. Dies gilt in noch stärkerem Maße für soziale Gruppen. Kaum etwas prägt das menschliche Sozialverhalten stärker als der Gegensatz zwischen IHNEN und UNS
.
WIR und SIE
WIR
–
das kann eine Frühmenschenhorde sein, ein steinzeitlicher Stamm, ein Volk, eine Firma, eine Partei, eine Interessengruppe, eine Religionsgemeinschaft, ein Sportverein, ein Kegelclub. Heutzutage kann ein Mensch sich je nach Situation als Mitglied von mehreren sozialen Gruppen fühlen. Er ist stolzer Familienvater, vorbildlicher Mitarbeiter seiner Firma und beim Fußballländerspiel begeisterter Anhänger der Nationalmannschaft. Alle diese Gruppen erwarten Loyalität – und bekommen sie auch. Die Gefolgschaft gegenüber der eigenen Gruppe ist im menschlichen Sozialverhalten fest verankert. Deshalb erleben wir den Verrat, also das geheime Wirken gegen die eigene Gruppe, als besonders schändliche Tat.
Menschen neigen dazu, sich selbst und ihre Gruppe deutlich besser zu beurteilen als andere Menschen oder andere Gruppen. Das entspricht der Alltagserfahrung. Die Sozialpychologie versucht
zu klären, welche Denkmuster zum Vorschein kommen, wenn man das Phämomen in seine Bestandteile zerlegt. Woher stammen die vielen Vorurteile gegen andere Gruppen? Warum sprechen Menschen den Angehörigen anderer Gruppen ganz bestimmte Eigenschaften zu? Warum sehen sie
den
Juden,
den
Farbigen,
den
Polen,
den
Bayern,
den
Preußen? Die Sozialpsychologie spricht hier von
Stereotypen
, Kollektivzuweisungen von meist schlechten Eigenschaften. Die Liste solcher Stereotypen ist lang: Deutschen fehlt es an Eleganz und Humor, Iren sind strohdumm und katholisch, Engländer steif, Blondinen herzzerreißend naiv. Diese Vorurteile weisen Menschen allein aufgrund von Sprache, Herkunft, Geschlecht oder Religion bestimmte Merkmale zu, ohne näher zu differenzieren. Die Sozialpsychologie verwendet dafür das Fachwort
Attribution.
Die Vernunft des Menschen hat auf dieses Denkmuster einen vergleichsweise geringen Einfluss. Unter anderem folgende Faktoren bestimmen und verzerren das Bild von uns selbst und unseren Mitmenschen:
Menschen tendieren dazu, sich Erfolge selbst zuzuschreiben, Misserfolge hingegen auf äußere Faktoren zurückzuführen (Sündenbockprinzip).
Menschen versuchen oft, ihr Verhalten vor sich selbst zu rechtfertigen, auch und gerade dann, wenn es nach ihren eigenen Maßstäben falsch war. Dazu interpretieren sie es im Nachhinein um oder verzerren ihre Erinnerung.
Menschen sehen ihr eigenes Verhalten und Denken positiver und weniger von der Umgebung geprägt als das ihrer Mitmenschen.
Menschen versuchen, mit ihrer Umgebung zu harmonieren und passen auch ihre Meinungen denen ihrer Umgebung an.
Menschen eifern Vorbildern nach und übernehmen auch deren Ansichten.
Menschen lassen sich von Autoritäten beeinflussen, also solchen Menschen (oder auch Zeitungen, Nachrichtensendungen oder
Ähnliches), die ihnen kompetent und vertrauenswürdig erscheinen.
Menschen rechtfertigen das Verhalten ihrer eigenen Gruppe und unterstellen ihrer Gruppe gute Absichten, anderen Gruppen aber böse Absichten. Die Unterstellung böser Absichten ist oft von negativen Gefühlen (Wut, Angst, Ekel, Verachtung) begleitet.
Menschen glauben von verschiedenen alternativen Erklärungen für ein Phänomen oder Ereignis am ehesten diejenige, die ihrem bisherigen Weltbild am genauesten entspricht. Das gilt auch dann, wenn diese Erklärung deutlich komplizierter und unwahrscheinlicher als andere Erklärungen ist.
Damit sind nur die wichtigsten Faktoren aufgezählt, die Liste ist keineswegs vollständig. Elliot Aronson, der Autor eines Standardwerks über Sozialpsychologie, schreibt dazu:
»Für mich liegt eine der faszinierendsten Eigenarten des menschlichen Wesens in seinem rührenden Bedürfnis, sich selbst als gut und vernünftig wahrzunehmen – und darin, dass er aus diesem Bedürfnis heraus oft gerade nicht gut und vernünftig handelt.«
Ein Verschwörungsglauben lässt sich in diesem Sinne definieren als die Zuweisung (
Attribution
) von heimlichen bösen oder verbrecherischen Handlungen oder Zielen an andere soziale Gruppen. Im Extremfall unterstellt der Verschwörungsglauben der anderen Gruppe ein solches Ziel, ohne dass irgendwelche Anhaltspunkte dafür erkennbar sind. Es kann also vorkommen, dass eine Gruppe sich von einer anderen Gruppe angegriffen oder verfolgt fühlt, ohne dass diese irgend etwas unternommen hätte, was den Verdacht rechtfertigen würde. Die
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