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Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Titel: Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Grüter
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neue Schulden aufnehmen und die lästige Lokalzeitung spricht von einem überdimensionierten Prestigeprojekt.
    Wie erwartet, gibt Bauunternehmer Meier das günstigste Angebot ab, und ein Jahr vor seiner geplanten Wiederwahl tut Bürgermeister Müller voller Stolz den ersten Spatenstich.
    Kaum ist die Baugrube ausgehoben, steht Bauunternehmer Meier schon im Amtszimmer des Bürgermeisters und teilt ihm mit, dass das Grundwasser höher steht als erwartet. Er wird die Baugrube
abpumpen müssen. Und der Keller braucht eine wasserdichte Hülle. Das Abpumpen ist nicht billig und senkt den Grundwasserspiegel der Nachbarschaft. Damit steigt die Gefahr von Setzrissen in den Häusern der Nachbarschaft. Für deren Beseitigung müsste wiederum die Stadt aufkommen. »Konntest du mir das nicht vorher sagen?«, fragt Müller gequält und gibt schließlich die Genehmigung. Fast wöchentlich bringt Meier dem Bürgermeister nun neue, kostentreibende Hiobsbotschaften. Er hat sein Angebot für den günstigsten möglichen Bauverlauf abgegeben. Komplikationen kann er nicht auffangen. Schließlich muss er Geld verdienen. Es dauert nicht lange, bis sich die beiden hoffnungslos zerstreiten. Meier zieht seine Leute und seine Geräte ab und fordert erst einmal Geld.
    Die Wahl rückt unterdessen näher. Die Halle ist nicht einmal halb fertig. Der Etat ist überzogen. Die noch unbezahlten Handwerkerrechnungen füllen einen ganzen Aktenordner. Der Stadtkämmerer weigert sich, weitere Ausgaben mitzutragen, und mit dem Rat hat sich Müller längst überworfen. Der Bürgermeister kann seine Partei nicht überreden, ihn für eine weitere Amtszeit zu nominieren. Der Stadtkämmerer, den jetzt auch der Bauunternehmer Meier unterstützt, tritt an und übernimmt das Amt. Von seinem Vorgänger erbt er zerrüttete Stadtfinanzen und eine teure Bauruine. Um die Halle fertig zu bauen, müsste er sie abermals verkleinern. Dann wäre sie aber überflüssig, denn Hallen und Säle von annähernd solcher Größe gibt es in der Stadt schon …
    »Ich bin Opfer einer Verschwörung«, wettert Ex-Bürgermeister Müller zu Hause zum wiederholten Mal (seine Frau hört schon gar nicht mehr hin). »Dieser Meier und seine Bande wollten mich von Anfang an weghaben, damit
sie
den Ruhm kassieren können!«
    Müller scheiterte an der Komplexität des Hallenprojektes. Ihm selber erscheint es jedoch so, als hätte ihm jemand ständig und absichtlich Steine in den Weg gelegt. Deshalb glaubt er fest an eine Verschwörung seiner Gegner.
     
    Der Psychologieprofessor Dietrich Dörner hat unter dem Titel
Die Logik des Mißlingens
ein unterhaltsames Buch über die häufigsten Ursachen für falsches Handeln in komplexen Entscheidungssituationen geschrieben. Das Buch beruht zum großen Teil auf Versuchen, die er und seine Mitarbeiter in den siebziger und achtziger Jahren selber durchgeführt haben. In Experimenten und Planspielen ließ er seine Versuchspersonen beispielsweise eine virtuelle Kleinstadt regieren oder ein realistisch erfundenes Entwicklungshilfeprojekt leiten. Er stellte dabei fest, dass viele Menschen mit
komplexen Systemen
nicht umgehen können. In ihnen treten ständig
Zielkonflikte
und unerwünschte Nebenwirkungen auf. Unter einem Zielkonflikt versteht man den Wunsch, mehrere Ziele zu erreichen, die nicht gleichzeitig verwirklicht werden können.
    In unserem Beispiel befindet sich Bürgermeister Müller in einem ständigen Zielkonflikt, weil er die Finanzen der Stadt in Ordnung halten muss, aber die öffentlichen Einrichtungen ausbauen will, um sich beliebt zu machen. Sein Scheitern schiebt er einer Verschwörung von Neidern in die Schuhe und reduziert damit die komplexen Zusammenhänge auf eine einzige Ursache. Dietrich Dörner spricht in diesem Zusammenhang von einer
reduktiven Hypothese
.
    Wenn die gescheiterten Konzepte auf Grundüberzeugungen, Lebenseinstellungen oder Ideologien beruhen, ist die Annahme einer Verschwörung geradezu vorprogrammiert. Die Argumentation lautet dann: Mein Konzept konnte überhaupt nicht scheitern, weil es richtig sein
musste
. Also hat es jemand sabotiert. Weltanschaulich begründete Diktaturen betreiben deshalb eine ständige Hatz nach vermeintlichen Saboteuren.
    Plötzliche unverständliche Umbrüche oder von Menschen hervorgerufene Katastrophen provozieren nahezu immer einen Verschwörungsglauben als reduktive Hypothese. Beispiele dafür sind die Französische Revolution, die Ermordung Kennedys oder die Zerstörung des World Trade

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