Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
hingegen gibt es wirklich. Sie ist um das Jahr 1600 entstanden und im Stil ihrer Zeit reichhaltig farbig illustriert. Die Bilder zeigen allerlei unbekannte Pflanzen, badende Frauen und astrologische Symbole. Sprache und Schrift sind vollkommen unbekannt. Es gibt weltweit kein zweites Dokument in dieser Schrift. Die Handschrift soll angeblich dem deutschen Kaiser Rudolf II . für 600 Dukaten (mehr als 10 000 Euro nach heutigem
Wert) verkauft worden sein. Einiges spricht dafür, dass sie extra zu diesem Zweck hergestellt wurde, also eine hervorragend ausgearbeitete Fälschung ist. Andererseits ähnelt die Länge, Verteilung und statistische Häufigkeit der Worte durchaus echten Sprachen. Es gibt eine ganze Reihe von mehr oder weniger abstrusen Übersetzungsversuchen, von denen keiner auch nur im geringsten überzeugen kann. Der weltbekannte Kryptologe William F. Friedman hat sich aus privatem Interesse an das Manuskript gesetzt und hat es tatsächlich nicht entschlüsseln können. Es gibt jedoch keine Hinweise, dass die US -Regierung sich jemals für das Manuskript und seinen Inhalt interessiert hat. In der Geschichte des Manuskripts ist nirgendwo von einem Zwergenvolk die Rede.
Diesen Zusammenhang habe ich erfunden, damit das Manuskript besser in die Theorie passt.
Und das Zitat von Harold Wilson? Nun, Harold Wilson war für seine Bonmots berühmt. Die »Gnomen von Zürich« ist eines der bekanntesten davon. Es zielt nicht auf die Körpergröße der Schweizer Bankiers ab, sondern auf ihre Macht und Verschwiegenheit. Zitate wie die von Marx und Harold Wilson verschaffen einer Verschwörungstheorie natürlich wesentlich mehr Glaubwürdigkeit. Einige Verschwörungstheoretiker bemühen sich deshalb um einen Zitatstil, der eine wissenschaftliche Qualität ihrer Arbeit vortäuschen soll. Hinter jedem zweiten Satz steht eine hochgestellte Zahl, die auf eine Fußnote verweist. Das Nachverfolgen der Quellen führt dann fast immer zur Ernüchterung: Entweder ist die Quelle nicht aussagekräftig (etwa ein Lexikoneintrag mit einer bloßen Definition) oder sie ist selber eine wenig fundierte Spekulation.
Neuerdings verwenden Autoren von Verschwörungstheorien auch gerne Internetquellen. Mathias Bröckers zitiert in seinem Buch
Verschwörungen, Verschwörungstheorien und Geheimnisse des 11 .September
zum allergrößten Teil Internetlinks als Referenzen. Viele seiner zentralen Aussagen belegt er mit Verweisen auf Internet-Adressen, die seine Schlussfolgerungen bestätigen, aber deren
Autoren mit der Prämisse angetreten sind, zu beweisen, dass die US -Regierung an den Anschlägen auf das World Trade Center beteiligt war. Diese Seiten sind untereinander ausgiebig verlinkt. Versuche, die endgültige Herkunft einer Aussage festzustellen, führten oft genug auf eine einzige nicht mehr überprüfbare Behauptung zurück, die dann in leicht abgewandelter Form an vielen Stellen wieder auftaucht. Beliebt ist auch folgende Vorgehensweise: Der Autor verwendet eine Quelle mit ähnlicher Ausrichtung, zitiert sie aber nicht, sondern übernimmt deren Zitate. Das spart Arbeit und wirkt trotzdem sehr belesen.
Eindrucksvoll wirken Quellenangaben wie »Protokoll der Sitzung der Regierung Ihrer Majestät vom 2 .Mai 1909 «. Wer soll sich das beschaffen? Andere Beispiele: »New York Times, 2 .Februar 1923 « oder »Winston Churchill, 1929 «. Solche Zitate haben den Vorteil, nicht überprüfbar zu sein.
Wenn man sich mit viel Mühe tatsächlich eine
New York Times
vom 2 .Februar 1923 beschafft und nach drei Stunden feststellt, dass der zitierte Halbsatz in keinem einzigen Artikel vorkommt, ist noch nicht bewiesen, dass die
New York Times
ihn überhaupt nicht geschrieben hat. Er kann einen Tag früher oder später dort gestanden haben, oder am 2 .Februar eines anderen Jahres.
Tages- und Wochenzeitungen leben davon, dass sie aktuelle Nachrichten bringen. Dazu gehören auch Berichte über Verschwörungslegenden, die in den Artikeln meist durchaus als Gerüchte gekennzeichnet sind. Darauf wird der Autor einer Verschwörungstheorie aber nicht unbedingt eingehen, ihm hilft es schon, wenn er auf den Artikel verweisen kann. Absolute Glücksfälle für die Autoren von Verschwörungstheorien sind kommentarlose Wiedergaben von Verschwörungslegenden in seriösen Zeitungen oder in seriösen Fernsehsendungen. Die entsprechenden Beiträge haben gute Chancen, immer wieder neu zitiert zu werden, auch wenn die Zeitung später davon abrückt.
Auch
Weitere Kostenlose Bücher