Freiwild Mann
haben sie Hunger gelitten, vielleicht haben sie etwas von den Höllenhuren abgekriegt … Ich bringe die Knochen nach draußen. Wenn du den Mumm dazu nicht hast, dann hole die Sachen, die wir heute nacht brauchen, aus dem Frauto.“
„Du willst … Du willst sie beerdigen?“
„Willst du, daß ich es tue?“
„Ja … Ja, ich glaube, es wäre mir lieber. Ich bin albern, Diarmid, und ich weiß, daß ihnen jetzt nichts mehr schaden kann. Aber es wäre mir lieber, wenn ich wüßte, daß sie zusammen ruhen.“
Diarmid nahm sie für einen Moment in die Arme. „Du bist albern, Rura, aber die Menschheit braucht vielleicht manchmal ein bißchen Albernheit … Heute kann ich sie nicht beerdigen. Es gibt zuviel zu tun. Aber morgen hebe ich ihnen ein kleines Grab im Wald aus. Sie brauchen nicht viel. Und du gibst ihnen Blumen als Gegenleistung für das Haus, das sie uns gegeben haben.“
Als Diarmid die Knochen berührte, zerfielen sie. Rura ging nach draußen, damit er ihre Tränen nicht sehen sollte. Schließlich mußte er ein Tuch holen, um die Knochen zusammenzuhalten. Offensichtlich war es ein Tuch der Frau, feucht, leicht zerreißbar, inzwischen beinahe farblos und dort mit Löchern versehen, wo Ratten und andere Tiere am Werk gewesen waren. Aber es war etwas Persönliches und paßte deshalb. Er legte die Knochen sehr vorsichtig hinein, knotete die Enden zusammen und trug das leichte Bündel in den Wald. Er legte es unter eine große Pinie. Sie würden nur ein sehr kleines Grab benötigen. Kleiner als er gedacht hatte.
Inzwischen machte sich Rura an die Arbeit, ein Mausoleum in ein Zuhause zu verwandeln. Zuerst brachte sie die Waffen herein, dann die Nahrung, dann Kleider, dann Decken. Das, dachte sie traurig, ist die Prioritätenliste. Dann hatten sie Zeit, das Haus gründlich zu erforschen. Obwohl es nicht groß genug war, große Forschungen anzustellen.
Der gesamte Wohnraum war im Erdgeschoß untergebracht. Ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, eine Küche, ein Badezimmer. In der Mitte des Wohnzimmers war eine Falltür. Der Keller war erstaunlich trocken. Er hatte als Lagerraum für Holzscheite und unnütze Besitztümer gedient. Wahrscheinlich auch zur Nahrungsaufbewahrung.
Im Keller gab es eine Truhe, eine Stahltruhe, verschlossen. Diarmid brach das Schloß auf. In der Truhe befanden sich die Überreste eines weißen Kleides, vielleicht ein altes Hochzeitskleid, und der schwarze Anzug eines Mannes. Und darunter waren Bücher. Bücher aller Arten. Eine Geschichte des Hochlands, ein Buch über Astronomie, die Gedichte von Robert Burns, des schottischen Frühromantikers der englischen Literatur, die Romane von Sir Walter Scott. Bücher, Bücher, Bücher.
Rura starrte sie voller Staunen an. Diarmid betrachtete sie versonnen.
„Wenn der Schnee fällt und die Abende lang werden“, sagte er, „bringst du mir dann das Lesen bei?“
„Mein Schatz, ich bringe dir das Lesen bei.“
Diarmid lachte. „Wer weiß, wenn es ein langer Winter wird, dann werde ich hier vielleicht noch zum Intellektuellen … Ich wollte immer, daß Ewan lesen lernen sollte. Als er noch am Leben war, da war ich manchmal hirnverbrannt optimistisch. Ich dachte, es sei vielleicht noch möglich, irgendwie eine Einigung zu erkämpfen, einen irgendwie gearteten Frieden, der es den Männern erlaubt hätte, sich zu bilden und nicht mehr wie die Wilden zu leben.“
„Ist das nicht mehr möglich?“
„Rura, sieh den Tatsachen ins Auge. Der Tod derer, die du liebst, ist das, was einen dazu bringt, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Wales ist völlig befriedet, und jedes Jahr wird unsere Zahl hier im Hochland kleiner, und die Republik Anglia wird stärker. Die Zeit ist auf der Seite von Curie Milfords weiblichen Robotern. Deine Leute können klonen und künstlich befruchten.“
„Es sind nicht meine Leute!“
„Ach so. Entschuldigung. Die Frauen im Süden dann eben. Sie können ihre Zahl durch Mittel und Wege der Wissenschaft, die ich nicht ganz verstehe, willkürlich vergrößern. Wir können uns nur vermehren, indem unsere Frauen Kinder zur Welt bringen. Und wir haben nicht viele Frauen. Was sonst auf der Welt geschieht, das weiß ich nicht. Aber hier, in dem Land, in dem ich lebe, ist die Uhr bald abgelaufen.“
Rura seufzte. „Ich muß etwas zu essen machen. Morgen verwandeln wir dieses Haus in unser Heim.“
„Du mußt auch noch den Treibstoffstand im Frauto überprüfen, bevor ich es mit Zweigen und Farn verdecke. In den letzten Tagen
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