Freizeichen
aussah wie Robin, auch Max Frisch las. Jens hatte gerad e sei n Abitu r mi t Ein s bestanden , stan d vo r de m Beginn eine s Philosophiestudium s un d sagt e Sache n wie : «Waru m soll ic h ei n Aut o repariere n können , wen n ic h doc h Kan t lesen kann? » Trotzde m sa h e r seh r gu t aus.
Zwische n de m Se x lase n wi r un s imme r Passage n aus Bücher n v o r , di e un s klu g erschienen , Mila n Kundera , Hermann Hess e un d ebe n auc h Ma x Frisch . Ic h fan d viele s wahnsinnig tol l un d stric h di e Passage n an , di e mi r besonder s gu t gefielen. Au f ein e solch e Passag e stie ß ic h a n besagte m Abend . Ic h la s sie mehrmals , bi s i c h si e fas t auswendi g konnte.
«Wa s bleibt , is t di e Neigung , di e still e un d tief e un d fast unerschütterliche Neigung. Ist das vielleicht nichts? Ihr habt schon fast alles überstanden, ausgenommen das Ende, es ist euc h nich t neu , da ß ein s vo n euc h davonläuf t i n di e Nacht , daß Zor n sic h wiede r gibt , da ß e s nicht s hilft , wen n Ih r zwe i Tage schweigt , Ih r sei d ei n Paar , jederzei t frei , abe r ei n Paar . D a ist nich t vie l z u machen . Manchma l de r Gedanke : Wies o gerade du ? Ih r seh t euc h nac h ander n Männer n um , nac h an d eren Frauen . D a komm t j a nich t vie l i n Frag e ode r alles . Nicht s wird wilder sein als eure Liebe damals, bestenfalls ebenso. War sie wild ? Davo n sprech t Ih r n icht . I n zärtliche r Schonun g der Gegenwart . Ode r e s se i den n mi t Vorwurf , de r falsc h is t wie jede r Vorwurf an das Leben. Wer kann denn etwas für die Gewöhnung?»
Ic h erinner e mic h genau , wi e Jen s un d ic h un s gruselte n und schworen , das s e s un s niemal s s o ergehe n würde . Wi r sollten Recht behalten. Wir hatten nie die Gelegenheit, uns aneinander z u gewöhn e n ode r einande r ga r gewöhnlic h z u werden . Nach vie r Monate n trennte n wi r uns.
So wie diese Textstelle jede Frau nervös gemacht hätte, die länger als anderthalb Jahre mit ein und demselben Partner liiert ist , macht e si e auc h mic h nervös . Da s is t wi e wen n d i e beste Freundi n plötzlic h beschließt , ei n Jah r in s Auslan d z u gehen ode r Biophysi k z u studiere n ode r samstagabend s allein e tanzen z u gehen , stat t wi e vorhe r angekündig t di e romantische Liebeskomödie auf Pro 7 zu gucken. Da hat man automatisch das Gefühl, ma n verpass t was . Al s würd e ma n nich t genug leben , nich t genu g erleben . Be i mi r wirkt e da s Ma x Frisc h - Zitat natürlic h doppel t star k i n Kombinatio n mi t de r Creme , di e mir ewig e Jugen d versprach , un d meine m drohende n Geburtstag. Max Frisch hatte mir das Pro b lem, von dem ich bisher bloß noc h nicht s gemerk t hatte , kla r un d deutlic h aufgezeigt . Die ganz e Tristess e meine s verpfuschte n Dasein s stan d mi t einem Ma l vo r meine n Augen . Un d al s ic h noc h etwa s weite r las , gab e s fü r mic h kei n Halte n mehr:
«Da entstehen dann, während das andere schon wieder schläft , Pläne , wi e Gefangen e si e sic h machen , d a sei d Ihr nächtlic h entschlosse n z u jegliche r Wendung , zu m Ausbruch, verwege n un d kindisch , e s is t nich t Begierde , abe r di e Sehnsucht nac h Begierde ; d a pack t Ih r di e Ko f fer.»
Dies e Zeile n klange n wi e ein e Alarmsiren e i n meine n Ohren, wi e ei n Aufruf , verwege n z u sein , auszubreche n und aufzubreche n in s Abenteuerland.
Un d d u wirs t e s nich t glauben , Mona» , beend e ic h meine Zusammenfassung , «da s Abenteue r ha t bereit s begonn e n . Ich bi n nämlic h frisc h verliebt!!!»
«Was! » Mon a kling t jetz t extre m alarmiert.
«Ic h bin...»
«Warte mal kurz. Die Gallenblase rührt sich. Leg nicht auf, ic h bi n gleic h zurück , un d dan n wil l ic h alle s wissen! » Ic h höre Mona beruhigend murmeln, dann kommt si e wiede r ans Telefon.
«So , alle s klar , de r Ty p schläf t noc h 'n e Runde . Also , lass mic h ma l kur z zusammenfassen : D u langweils t dic h ma l wieder, lies t Frisc h un d gucks t Pflaume , findest , d u solltes t dic h trennen ode r wenigsten s wa s erleben , fährs t nac h Ma l lorca , willst angeblich nachdenken und verliebst dich bereits drei Stunden nac h deine r Ankunf t unsterblic h i n eine n anderen?»
«S o ungefähr.»
Ic h genieß e Mona s Schweigen . Einig e Sekunde n lan g sin d nur di e Herztön e de r Gallenblas e z u hören.
«Wa s is t da s fü r ei n Typ ? Erzäh l mi r alle s un d
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