Fremd fischen
muss er das Wort«Liebe»dazuschreiben? Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass er soeben nicht mit ihr geschlafen hat und dass wir nächste Woche miteinander sprechen werden, also immer noch innerhalb von Hillarys Deadline. Dann wetze ich los, um mich mit Claire zu treffen und ihr bei den Vorbereitungen zu Darcys großem Wochenende zu helfen.
Die ganze Sache ist völlig außer Kontrolle geraten.
So was passiert nur anderen Leuten. Nicht Leuten wie mir.
Der Junggesellinnenabschied ist eine Qual von Anfang bis Ende – aus nahe liegenden Gründen, aber auch, weil ich mit Darcys PR-Freunden nichts gemeinsam habe: lauter materialistische, oberflächliche, biestige Egomanen. Claire ist noch die Angenehmste in dieser ganzen Meute – was erschreckend ist. Ich ermahne mich, zu lächeln und meine Suppe auszulöffeln. Es ist ja nur ein Abend.
Zuerst treffen wir uns bei Claire, um Darcy ihre Dessous zu schenken: ein Arsenal aus schwarzer Spitze und roter Seide, mit dem ich einfach nicht konkurrieren kann. Wenn Darcy beschließt, irgendetwas davon schon vor der Hochzeit anzuziehen – speziell einen Strapshalter von La Perla mit Netzstrümpfen –, sterbe ich. Es sei denn, sie debütiert in meinem Geschenk, einem langen, elfenbeinfarbenen Nachthemd, wie Caroline Ingalls es in Unsere kleine Farm hätte tragen können. Es ist«lieb und bodenständig», während die anderen schwül-spärlichen Geschenke schreien:«Leg mich über den Stuhl und lass die Schlagsahne spritzen. »Darcy tut, als ob ihr mein Geschenk gefiele, und mir entgeht nicht, dass Claire und Jocelyn – ein Uma-Thurman-Double – einen wissenden Blick wechseln. Eine paranoide Sekunde lang glaube ich, dass Claire nach unserer gestrigen Zufallsbegegnung Verdacht geschöpft und Jocelyn davon erzählt hat. Aber dann erkläre ich mir diesen Blick auf die gewohnte Art: Darcys mausgraue Freundin hat wieder zugeschlagen. Wie kann sie bloß Ehrenjungfer sein, wenn sie nicht mal ein anständiges Dessous schenken kann?
Nach dem Geschenketeil des Abends fahren wir mit
Taxen zur«Churrascaria Plataforma», einer brasilianischen Rotisserie im Theater District, wo die Kellner bis zum Abwinken einen endlosen Strom von gegrilltem Fleisch servieren – eine irrwitzige Auswahl für eine Horde von spindeldürren Frauen, von denen die Hälfte Vegetarierinnen sind, die nur von Staudensellerie und Zigaretten leben. Unsere Gruppe zieht in stolzer Parade ein, und viele der überwiegend männlichen Gäste kriegen Stielaugen. Nach einer Runde schmerzhaft teurer Cocktails (die auf meine Kreditkarte gehen) setzt man uns an einen langen Tisch in der Mitte des Restaurants, wo die PR-Girls fortfahren, ihre Umgebung zu bearbeiten und zugleich so zu tun, als bemerkten sie die Aufmerksamkeit nicht, die ihnen von allen Seiten zuteil wird.
Ich beobachte einen Nachbartisch mit Frauen in konservativer Ann-Taylor-Kleidung, die unsere Gruppe mit einer seltsamen Mischung aus Neid und Herablassung beäugen. Ich wette mit mir selbst, dass die Ann-Taylor-Frauen sich, ehe der Abend zu Ende ist, bei ihrem Kellner beschweren werden, dass unser Tisch zu laut ist. Unser Kellner wird uns daraufhin saccharinsüß vorschlagen, den Lautstärkepegel ein winziges bisschen zu senken. Daraufhin wird unser Tisch beleidigt tun und die Ann-Taylor-Frauen als eine Horde von fetten Losertypen bezeichnen. Ich sitze am falschen Tisch, denke ich, als Claire und ich auf Darcys Kommando rechts und links von ihr Platz nehmen. Sie trägt immer noch den kleinen Schleier, den wir aus den Bändern und Schleifen ihrer Geschenke gemacht haben, und sie ist glücklich über das Aufsehen, das sie damit erregt: das heißeste Girl an einem Tisch voll hinreißender Frauen. Abgesehen von mir heißt das. Ich tue so, als ob mich die dürftige Unterhaltung, die um mich
herum kreiselt, interessiere; ich nippe an meiner Sangria und lächle und lächle.
Nach dem Essen machen wir uns auf den Weg ins« Float», einen Dance-Club in der Midtown mit samtenen Absperrkordeln und wichtigtuerischen Türstehern. Natürlich stehen wir – dank Claires Beziehungen – auf einer VIP-Liste und können daher an der langen Schlange der Nobodys (wie Darcy sie nennt) vorbeimarschieren. Der Abend verläuft nach dem abgestandenen, albernen Script für den Junggesellinnenabschied einer typischen Twentysomething. Was vermutlich okay wäre – bloß dass die meisten von uns keine Twentysomethings mehr sind. Wir sind zu alt für das Gekreische, die harten Schnäpse
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