Fremd fischen
hoffe, dass ich noch einen Augenblick allein mit Dex sprechen kann, aber sie bleibt auf dem Gehweg stehen, als wäre sie festgewachsen. Nach ein paar Sekunden gibt Dex auf und verabschiedet sich von uns beiden. Ich sehe ihn nicht an, als er davongeht.
« Okay», sage ich zu Claire.«Bis gleich.»
Voller Panik gehe ich nach Hause und sage mir immer wieder, dass alles in Ordnung ist, dass Claire ganz sicher niemals einen derart monumentalen Verrat vermuten würde. Dex ruft an, kaum dass ich in der Wohnung bin. Mit zitternden Händen nehme ich ab.
« Hey», sagt Dex.«Ist das zu fassen?»
« O mein Gott», sage ich.«Ich glaube, ich werde ohnmächtig. Wo bist du?»
« Um die Ecke. Im Auto … Glaubst du, es ist gut gegangen? »
« Hoffentlich.»Allmählich normalisiert mein Puls sich wieder.«Du warst gut … Wie bist du so schnell auf diese Ausrede gekommen?»
« Weiß ich auch nicht. Aber sie hat’s mir abgekauft, oder?»
« Sah so aus … Aber was machen wir jetzt mit diesem Brief?»
« Ich schreibe gerade einen … Scheiße, ich hab keine Ahnung, was ich schreiben soll. Das ist lächerlich … Ich komme jetzt rauf, okay?»
Das sei keine gute Idee, sage ich. Ich müsse mich mit Claire treffen.
Er seufzt.«Ich wollte ein bisschen Zeit mit dir verbringen. Kannst du dich nicht rausreden?»
Ich spüre, dass ich schwach werde.«Meinst du nicht, es sieht verdächtig aus, wenn ich sie versetze?»
« Ach, komm. Nur ein paar Minuten.»
« Okay», sage ich.«Komm rauf. Aber nur für ein paar Minuten, damit ich den Brief bekomme. Danach muss ich wirklich zu ihr.»
Augenblicke später steht er vor der Tür und gibt mir mein Sandwich und den zusammengefalteten Brief. Ich lege beides auf meinen Couchtisch, wo unsere Snapples stehen. Wir setzen uns auf meine Couch.
« Wieso passiert so was immer wieder in dieser Stadt?», frage ich.
« Weiß nicht», sagt er und nimmt meine Hände. Er will mich küssen, aber ich bin immer noch zu erschüttert. Ich kann mich nicht entspannen. Es ist, als wäre Claire hier bei uns.
« Ich sollte jetzt wirklich gehen», sage ich und bin wütend, weil sie uns die Gelegenheit, das große Gespr äch zu führen, vermasselt hat, aber irgendwie bin ich auch erleichtert.
Er versucht weiterhin, mich zu küssen, streift mir die Kostümjacke ab und reibt meine Schulter.
« Dex!»
« Was?»
« Ich muss jetzt gehen.»
« Eine Minute.»
« Nein. Jetzt .»
Aber als seine Finger über mein Schlüsselbein streichen, höre ich auf, an Claire zu denken. Augenblicke später lieben wir uns.
Unmittelbar danach klingelt mein Handy. Ich fahre zusammen.«Scheiße. Das ist Claire. Ich muss jetzt wirklich gehen.»Ich setze mich auf.
« Aber ich wollte über dieses Wochenende sprechen», sagt er.
« Was ist denn damit?»Ich weiche seinem Blick aus, während ich mir die Bluse zuknöpfe.
« Na ja, es ist einfach – es tut mir wirklich Leid, das mit diesem Junggesellinnenabschied und so weiter …»
Ich unterbreche ihn.«Ich weiß, Dex.»
« Es muss bald etwas geschehen. Ich hab bloß bis jetzt keine freie Minute gehabt. Ich hatte keine Gelegenheit … aber du musst wissen, dass ich die ganze Zeit darüber nachdenke – ich denke an dich. Ich meine,
die ganze Zeit …»Sein Gesichtsausdruck ist aufrichtig und gequält. Er wartet darauf, dass ich etwas sage.
Das ist meine Gelegenheit. Worte formen sich in meinem Kopf, liegen mir auf der Zunge, aber ich spreche keins davon aus, denn ich sage mir, dass dies nicht der Augenblick für tief schürfende Diskussionen ist. Wir haben nicht genug Zeit für ein richtiges Gespräch. Ich beschwichtige mich selbst: Ich bin nicht feige – ich bin nur geduldig. Ich will den richtigen Augenblick abwarten, um die Vernichtung meiner besten Freundin zu besprechen. Also gebe ich ihm und mir eine Auszeit.« Ich weiß, Dex», sage ich.«Wir reden nächste Woche, okay?»
Er nickt ernst und umarmt mich fest.
Als er gegangen ist, rufe ich Claire an und erzähle ihr, ich sei durch ein geschäftliches Telefonat aufgehalten worden, aber jetzt sei ich gleich da. Ich ziehe mich an, stürze meinen Eistee hinunter und lege mein Ei-Sandwich in den Kühlschrank. Auf dem Weg zur Tür fällt mein Blick auf den zusammengefalteten Brief. Ich kann nicht anders. Ich gehe zurück, falte das Blatt auseinander und lese: Darcy, vor deinem großen Abend wollte ich dir nur rasch einen kleinen Gruß schicken. Ich hoffe, du hast einen Riesenspaß mit deinen Freundinnen. In Liebe, Dex.
Wieso
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