Fremd fischen
da und fragt die Kids mit ihrer verruchten Stimme, ob sie Marinara oder Hackfleischsauce auf ihre Rigatoni wollen. »
Als sie schließlich nicht mehr lachen muss, sagt sie:« Aaah. Das ist genauso wie damals, als ich bei dir übernachtet hab.»
« Ja. Stimmt.»Ein zärtliches Gefühl für Darcy durchströmt mich.
« Wir hatten viel Spaß, als wir klein waren, nicht?»
« Ja. Kann man wohl sagen.»
Darcy fängt wieder an zu lachen.
« Was ist?», frage ich.
« Weißt du noch, wie wir bei Annalise zu Hause übernachtet und die Barbiepuppen ihrer Schwester aufgehängt haben?»
Ich kann mich gar nicht mehr einkriegen, als ich die Barbies vor mir sehe, wie sie mit Nähgarnschlingen um den Hals am Türrahmen baumeln. Annalises kleine Schwester rannte hysterisch heulend zu ihren Eltern, die sich prompt mit den beiden anderen Elternpaaren
zusammensetzten und sich eine passende Bestrafung ausdachten. Wir durften dann eine Woche lang nicht miteinander spielen – was im Sommer eine lange Zeit ist.«Das war ziemlich krank, wenn ich jetzt daran denke», sage ich.
« Ich weiß. Und wie Annalise immer sagte, es sei nicht ihre Idee gewesen?»
« Ja. Es war nie ihre Idee.»
« Die coolen Sachen haben immer wir uns ausgedacht. Sie war immer ein 1A-Trittbrettfahrer.»
« Ja», sage ich.
Ich bin still und denke an unsere Kindheit. An den Tag, als man uns mit unseren dürftigen Sechstklässler-Ersparnissen am Shopping Center absetzte und wir im Galopp zur Piercing Pagoda stürmten, um unsere« Beste-Freundin»-Halsketten zu kaufen: ein halbiertes Herz, auf dem in Gänze diese beiden Worte gestanden hätten, die beiden Hälften des Amuletts hingen jeweils an einer vergoldeten Kette. Darcy nahm die Hälfte mit« Be Freun», und ich kriegte die«ste-din»-Hälfte. Natürlich waren wir so besorgt um Annalises Gefühle, dass wir die Ketten nur heimlich trugen, unterm Rollkragenpullover oder nachts im Bett. Aber ich erinnere mich an das kribbelnde Gefühl, wenn ich meine Hälfte des Herzens berührte, sodass ich es unter meiner Bluse auf der Haut spürte. Ich hatte eine beste Freundin. Darin lag so viel Sicherheit, ein solches Gefühl von Identität und Zugehörigkeit.
Ich habe meine Kette immer noch; sie liegt tief vergraben in meinem Schmuckkasten, und die Vergoldung ist grünlich von Schmutz und Alter. Und jetzt hat sie außerdem Flecken bekommen, die sich nicht mehr entfernen lassen. Plötzlich überkommt mich eine tiefe Trauer um diese beiden kleinen Mädchen. Um das,
was jetzt zwischen ihnen nicht mehr da ist. Was sich nicht wieder zurückholen lässt, ganz gleich, was mit Dex passiert.
« Rede noch ein bisschen», sagt Darcy sanft. Da ist keine Spur mehr von der unverfrorenen, egozentrischen Braut, der ich mittlerweile mit Widerwillen, ja, mit Abneigung begegne.«Bitte schlaf noch nicht. Wir kommen nie dazu, so zusammen zu sein. Das fehlt mir.»
« Mir auch», sage ich, und ich meine es ernst.
Ich frage sie, ob sie noch weiß, wie wir unsere«Beste-Freundin »-Ketten gekauft haben.
« Ja. Aber hilf mir bei den Details», sagt sie auf ihre charmante Art.
Darcy hört es zu gern, wenn ich aus unserer Kindheit erzähle, und sie lobt mich immer für meine lückenlosen Erinnerungen. Ich erzähle ihr die Geschichte von den Halsketten in der längstmöglichen Version. Als ich fertig bin, flüstere ich:«Schläfst du?»
Keine Antwort.
Ich höre Darcy im Dunkeln neben mir atmen und frage mich, wie es dazu kommen konnte, dass wir uns in denselben Mann verlieben. Dass ich die Verlobung meiner besten Freundin sabotiere. In den letzten Sekunden vor dem Einschlafen wünsche ich mir, ich könnte die Zeit umdrehen und alles ungeschehen machen, um diesen beiden kleinen Mädchen noch eine Chance zu geben.
Am nächsten Morgen wache ich auf, weil Darcy in meinem Medizinschrank herumwühlt. Ich höre sie poltern und versuche, meine Träume aus der vergangenen Nacht aneinander zu fügen, eine Serie von unzusammenhängenden Bruchstücken mit der üblichen Besetzung: meine Eltern, Darcy, Dex, Marcus, sogar Les. Der Plot ist nebulös, aber ich erinnere mich, dass viel gerannt und sich versteckt wurde. Ein Dutzend Mal hätte ich Dex beinahe geküsst, aber ich habe es nicht getan. Nicht mal im Traum werde ich zufrieden gestellt. Darcy kommt mit fröhlichem Gesicht aus dem Bad.
« Ich hab überhaupt keinen Kater», verkündet sie.« Allerdings hab ich für alle Fälle ein bisschen Aspirin genommen. Nun hast du keins mehr. Hoffentlich
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