Fremd fischen
da noch ein Hauch von dem Thai Food in der Luft, das ich mir gestern Abend für mein einsames Memorial-Day-Dinner habe kommen lassen. Ich ziehe
das Bürokostüm aus und schwarze Spitzenunterwäsche an – obwohl ich selbstverständlich und nur zu gut weiß , dass nichts passieren wird –, dann Jeans und ein T-Shirt. Ich trage einen Hauch Rouge und ein bisschen Lipgloss auf. Ich sehe lässig und entspannt aus, das genaue Gegenteil von dem, was ich fühle.
Um Punkt acht summt Eddie, Josés Vertretung, mich an.«Sie haben Besuch», brüllt er durch die Sprechanlage.
« Danke, Eddie. Schicken Sie ihn rauf.»
Sekunden später steht Dex in der Tür. Er trägt einen dunklen Anzug mit blassgrauen Nadelstreifen, ein blaues Hemd und eine rote Krawatte.
« Dein Portier hat mich spöttisch angegrinst», sagt er, als er meine Wohnung betritt und sich zögernd umschaut, als wäre er zum ersten Mal hier.
« Unmöglich», sage ich.«Das bildest du dir ein.»
« Ich bilde mir gar nichts ein. Ich erkenne ein spöttisches Grinsen, wenn ich eins sehe.»
« Aber das war nicht José, da liegst du falsch. Heute Abend hat Eddie Dienst. Du hast nur ein schlechtes Gewissen.»
« Ich hab dir schon einmal gesagt, ich fühle mich nicht schuldig für das, was wir getan haben.»Er schaut mir fest in die Augen.
Ich spüre, wie sein Blick mich aufsaugt und wie mein Vorsatz, ein guter Mensch und eine gute Freundin zu sein, verschwindet. Nervös schaue ich weg und frage, ob er etwas trinken will. Er möchte ein Glas Wasser. Ohne Eis. Weil ich kein Mineralwasser mehr habe, lasse ich den Hahn laufen, bis das Wasser kühl wird. Ich fülle zwei Gläser für uns und setze mich zu ihm auf die Couch.
Er trinkt in großen Schlucken und stellt das Glas
dann auf einen Untersetzer auf meinen Couchtisch. Ich nippe an meinem Wasser. Ich merke, dass er mich anstarrt, aber ich erwidere den Blick nicht, ich schaue starr geradeaus, dahin, wo mein Bett steht – der Schauplatz DES ZWISCHENFALLS. Ich brauche eine richtige Zwei-Zimmer-Wohnung oder wenigstens einen Wandschirm, der meine Schlafecke vom restlichen Apartment trennt.
« Rachel», sagt er.«Sieh mich an.»
Ich sehe ihn an und schaue dann auf den Tisch.
Er legt die Hand unter mein Kinn und dreht mein Gesicht zu sich herum.
Ich spüre, dass ich rot werde, aber ich sträube mich nicht.«Was?»Ich lache nervös. Sein Gesicht bleibt unverändert.
« Rachel.»
« Was?»
« Wir haben ein Problem.»
« Ja?»
« Ein großes Problem.»
Er beugt sich herüber und legt den linken Arm auf die Sofalehne. Er küsst mich, erst sanft, dann drängender. Ich schmecke Zimt. Ich denke an die Dose Altoids mit Zimtgeschmack, die er das ganze Wochenende über dabeihatte. Ich erwidere seinen Kuss.
Und wenn ich gedacht habe, Marcus sei ein guter Küsser, oder Nate vor ihm, oder auch sonst irgendjemand, dann habe ich falsch gedacht. Im Vergleich waren alle anderen gerade kompetent genug. Dieser Kuss von Dex lässt hingegen das Zimmer kreiseln. Und diesmal liegt es nicht am Alk. Dieser Kuss ist wie der Kuss, von dem ich ungefähr eine Million mal gelesen und den ich im Kino gesehen habe. Der Kuss, von dem ich nicht sicher war, ob er im wirklichen Leben existierte. Aber tatsächlich,
es gibt ihn. So habe ich mich noch nie gefühlt. Feuerwerk mit allem Drum und Dran. Genau wie damals im Fernsehen.
Wir küssen uns lange, sehr lange. Ohne Unterbrechung. Verlagern nicht mal unsere Position auf der Couch, obwohl wir für einen so intensiven Kuss unnatürlich weit voneinander entfernt sind. Ich kann nicht für ihn sprechen, aber warum ich mich nicht bewege, weiß ich. Ich will nicht, dass es aufhört, will nicht, dass die nächste verlegene Phase anfängt, in der wir uns vielleicht fragen, was wir hier tun. Ich will nicht über Darcy sprechen, will nicht mal ihren Namen hören. Mit diesem Augenblick hat sie nichts zu tun. Überhaupt nichts. Dieser Kuss steht für sich allein. Er ist losgelöst aus Zeit und Raum und hat nichts mit der Hochzeit im September zu tun. Das versuche ich mir einzureden. Als Dex schließlich den Kuss unterbricht, tut er es nur, um näher an mich heranzurücken. Er nimmt mich in die Arme und flüstert:«Ich kann nicht aufhören, an dich zu denken.»
Ich auch nicht.
Aber ich kann steuern , was ich tue. Es gibt Gefühle, und es gibt das, was man damit anfängt. Ich weiche zurück, nicht allzu weit, und schüttele den Kopf.
« Was denn?», fragt er sanft, und sein Arm umschlingt mich immer noch
Weitere Kostenlose Bücher