Fremd fischen
nicht genau. Bei der zweiten unmittelbar vor der Trauung.»
« Machst du Witze?»
« Nein. Die Braut war beim Ankleiden, als er zu ihr ins Zimmer ging. Hat angeklopft und ihr die Neuigkeit eröffnet – vor ihrer Mutter, ihrer Großmutter und der fünfundneunzigjährigen Urgroßmutter.»
« War sie überrascht?»Eine dumme Frage. Niemand
rechnet damit, dass der Bräutigam hereinplatzt und die Trauung abbläst.
« Offensichtlich. Aber so überrascht hätte sie auch wieder nicht sein müssen … Sie muss ja gewusst haben, dass er es schon mal getan hatte.»
« Gab es eine andere?», frage ich vorsichtig.
« Glaub ich nicht. Nein.»
« Warum hat er es dann getan?»
« Er sagt, er hatte nicht das Gefühl, dass es ewig halten würde.»
« Oh.»
« Woran denkst du?»
Er weiß, woran ich denke.
« An gar nichts.»
« Sag’s mir.»
« An gar nichts.»
« Sag’s mir.»
Der Dialog einer jungen Beziehung. Wenn das Paar sich eingerichtet hat, ist diese Frage Schnee von gestern.
« Ich denke, dass ich an diese Hochzeitstagsnummer à la Julia Roberts in Die Braut, die sich nicht traut nicht glaube.»
« Du glaubst nicht daran?»
Ich antworte vorsichtig.«Ich finde, es ist nicht notwendig … einfach unnötig brutal», sage ich.«Wenn jemand absagen möchte, sollte er es vor dem Hochzeitstag tun.»
Die Botschaft ist nicht gerade subtil.
« Na ja, das finde ich auch, aber meinst du nicht, es ist besser, die Verbindung zu kappen, ehe man einen Fehler begeht? Bist du es nicht den anderen, dir selbst und der ganzen Institution der Ehe schuldig, auch dann noch etwas zu sagen, wenn du sehr spät zu dieser Erkenntnis kommst?»
« Ich will überhaupt nicht sagen, dass man einen solchen Fehler begehen sollte. Ich will nur sagen, dass man darauf lieber vor dem Hochzeitstag kommen soll. Dafür ist eine Verlobung da – und meiner Ansicht nach ist es am Hochzeitstag zu spät. Dann gilt die Vereinbarung, und man muss die Suppe auslöffeln und das Beste draus machen. Ich finde, es ist kaltherzig, es ihr zu sagen, wenn sie das Brautkleid anhat.»
Ich stelle mir Darcy in dieser demütigenden Szene vor, und mein Mitgefühl für sie ist vorbehaltlos.
« Meinst du? Selbst wenn am Ende die Scheidung steht?», fragt er.
« Selbst dann. Frag doch die Betreffende selbst, was ihr lieber ist: die Scheidung oder diese Erniedrigung vor allen Leuten.»
Er gibt ein unverbindliches«Hmmmm»von sich, und ich weiß nicht, ob er mir zustimmt oder nicht. Ich frage mich, was das alles für uns bedeutet. Ob er dabei überhaupt an uns denkt. Aber das muss er doch. Ich spüre, wie meine Muskeln sich anspannen, und mein Fuß zuckt nervös. Ich sage mir, dass heute noch nicht der vierte Juli ist. Ich will jetzt nicht mehr darüber nachdenken.
Ich lange über Dex hinweg nach meiner Stereoanlage und schalte sie ein. Creedence Clearwater Revival singen Lookin’ Out My Back Door . Ein Song, der gut abgeht – genau das, was ich brauche, um die Bilder von Dex’ und Darcys Hochzeit aus meinem Kopf zu verjagen. Stattdessen sehe ich mich in einem Auto mit Dexter. Es ist ein weißes Cabrio, und das Dach ist offen. Wir tragen Sonnenbrillen und fahren auf einer Landstraße, und kein anderes Auto ist in Sicht.
Jedes Jahr am vierten Juli findet in Manhattan ein Massenexodus statt. Die Leute fahren über den Feiertag in die Hamptons, nach Cape Cod und Martha’s Vineyard, sogar nach New Jersey. Niemand bleibt da. Nicht mal Les. In dem Sommer unserer Zulassungsprüfung, als Nate und ich in der Stadt blieben, um zu büffeln, war ich erstaunt, wie verändert, ja, wie regelrecht friedlich es ohne all die Leute plötzlich war. Natürlich habe ich vor, dieses Jahr auch zu Hause zu bleiben, denn bei der Vorstellung, Dex und Darcy zusammen zu sehen, wird mir schlecht. Ich rufe Dex an und sage es ihm. Er sagt das, was ich erhofft habe.«Ich bleibe auch.»
« Wirklich?»Ich bekomme Herzrasen bei dem bloßen Gedanken daran, die Nacht mit Dex zu verbringen.
« Ja. So machen wir’s.»
Und so entwerfen wir unseren Plan: Wir werden beide in letzter Minute«feststellen», dass wir arbeiten müssen. Wir werden wie blöd meckern und stöhnen, aber wir werden darauf bestehen, dass Darcy trotzdem fährt und sich ohne uns amüsiert. Bis dahin hat sie schon eine frische Pediküre machen lassen, neue Outfits gekauft, Partys vorgemerkt und Tische in ihren Lieblingsrestaurants reserviert. Also wird sie auf keinen Fall zu Hause bleiben, und Dex und ich können zusammen
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