Fremd fischen
schale Reaktion? Findest du ihn nicht süß?»
« Doch. Er ist süß.»
Unser Kellner kommt und will unsere Bestellungen aufnehmen. Darcy will eine Pizza, ich einen großen Salat.
Darcy erhebt Einwände.«Willst du nur Salat?»
Ich merke, dass es sie ärgert, wenn ich Salat esse, während sie Pizza bestellt. Sie sieht sich gern als zurückhaltende Esserin. Also beschwichtige ich sie und sage:«Der große Salat ist ziemlich nahrhaft – und macht außerdem ziemlich dick.»
« Na, aber du wirst ein bisschen von meiner Pizza essen müssen. ’ne ganze schaff ich nicht allein.»Sie spricht mit mir, aber für die Ohren des Kellners. Er lächelt
sie an. Sie macht ein freundliches, offenes Gesicht. Ich ertappe sie dabei, wie sie die linke Hand unter den Tisch schiebt, damit er ihren Ring nicht sehen kann.
Als er gehen will, sagt sie:«Ach, und sorgen Sie bitte dafür, dass der Boden nicht anbrennt? Manchmal brennen die Pizzen unten an. Und ich hab sie gern – wie soll ich sagen – ungebraten?»Sie streicht sich den Pferdeschwanz über die Schulter nach vorne.
Er lacht und zwinkert.«Kein Problem.»
« Er ist zu jung für dich», sage ich. Es ist mir egal, dass er noch in Hörweite ist.
« Was?», fragt sie unschuldsvoll.«Oh, ich bitte dich. Ich hab doch nicht geflirtet.»
Bevor sie mit einem neuen Thema anfangen kann, muss ich herausbekommen, ob sich tatsächlich keine häuslichen Probleme zusammenbrauen. Ich versuche es mit der Hochzeit.«Was hast du dir für die CDs überlegt? »
« Die CDs?»Sie guckt verwirrt.«Ach so, die Dinger. Ich hab nicht weiter drüber nachgedacht. Hab dieses Wochenende mal Urlaub von den Hochzeitsplanungen gemacht … Außerdem glaube ich, dass die CDs wohl doch zu viel Aufwand sind. Vielleicht belasse ich’s bei Nüssen oder Pfefferminz. Es gibt diese süßen herzförmigen Altoids-Dosen. Vielleicht nehmen wir die. Du weißt, wie gern Dexter Altoids mag.»
« Hmmm … Das wusste ich nicht.»
« Ja», sagt sie.«Die mit Zimtgeschmack.»
Dexter ruft erst spät am Abend an, und ich verpasse seinen Anruf, weil ich in einem Konferenzzimmer bin und Unterlagen durchsehe. Die Nachricht, die er hinterl ässt, ist kurz.«Hi, Rach. Tut mir Leid, dass ich heute
nicht angerufen hab … Wir hatten heute einen Fire Drill für das Meeting am Donnerstag. Ich hätte wirklich ein bisschen von all der Arbeit am Wochenende erledigen sollen … Nicht, dass es mir Leid tut. Das Zusammensein mit dir war es wert. Du fehlst mir. Ich melde mich bald wieder.»
Die Nachricht hinterlässt ein hohles Gefühl. Das war’s? Eine Übersicht über seine Arbeitspläne? Und dazu benutzt er auch noch einen ärgerlichen Bankerausdruck wie«Fire Drill». Aber was noch wichtiger ist: Er sagt kein Wort über Darcy oder wann wir uns wieder sehen. Gar nichts. Nur, dass ich ihm fehle. Es fühlt sich an, als ob er mir entgleitet, als ob mein Griff nach dem Glück ins Leere gegangen sei. Panik steigt in mir auf, aber dann sage ich mir, ich müsse Geduld haben. Dex wird das Richtige tun. Am Ende wird er bei mir sein.
Ich sehe Dex schließlich am Donnerstagabend. Als er bei mir aufkreuzt, ist es spät, und er ist müde von der Arbeit. Wir reden ein paar Minuten miteinander, und dann schläft er mit dem Kopf auf meinem Schoß ein, während ich mir eine Wiederholung der Sopranos ansehe. Tony betrügt mal wieder Carmella. Mein Mitgefühl für sie ist groß und allumfassend, was paradox ist, denn sie ist die Ehefrau und nicht«die Andere». Ich denke an Darcy und vergleiche unsere Gefühle für Dex. Sie liebt ihn nicht so, wie ich ihn liebe. Das kann sie unmöglich. Und das wird meine endgültige Erkenntnis auf der Zielgeraden sein.
Kurz nach Mitternacht stupse ich ihn sanft an und sage, dass er wahrscheinlich jetzt nach Hause gehen sollte. Widerstrebend stimmt er mir zu und sagt noch einmal, wie sehr er diese irrsinnige Arbeitsbelastung
bedauert. Ich sage, dass ich es verstehe – ich wisse, wie das ist. Er küsst mich und umarmt mich lange. Und dann ist er wieder weg, zurück zu Darcy. Als er zur Tür hinausgeht, frage ich ihn, was er am Wochenende vorhat. Ich bemühe mich, gelassen zu sein, aber im Grunde meines Herzens greife ich nach Strohhalmen und hoffe, dass er wenigstens ein paar Stunden für mich erübrigen wird.
« Mein Dad und seine Frau kommen zu Besuch. Hab ich dir das nicht erzählt?»
« Nein. Nein, hast du nicht. Aber das ist doch schön. Was habt ihr vor?»
« Das Übliche, du weißt schon. Essen gehen.
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