Fremd küssen. Roman
demütigen. Als man feststellte, dass auf den Booten nicht genügend Kopfkissen waren, meinte er laut: »Macht doch nichts. Der Hintern von Frau Schatz ist groß genug für drei Köpfe.« Woraufhin natürlich alle auf meinen Po schauten, der zugegebenermaßen wirklich nicht gerade klein war zu diesem Zeitpunkt. Oder als wir einen Landgang machten und ich einen Rucksack aufzog, sagte Roland Dunkel: »Kleine Rucksäcke wirken besonders klein, wenn dicke Frauen sie tragen. Aber bei Frau Schatz wirkt ihrer geradezu winzig.«
Das sind dann die Momente, in denen einem nichts, aber gar nichts mehr einfällt. Am liebsten hätte ich Roland Dunkel ertränkt auf dieser unsäglichen Pressereise, aber da er ein geübter Segler war, war er mit Sicherheit auch ein geübter Schwimmer, und das Ende vom Lied wäre gewesen, dass ich im Mittelmeer seebestattet worden wäre. Wahrscheinlich hätte Roland Dunkel auch hierfür den passenden Spruch parat gehabt. So was wie: »Ach, lasst sie doch, Fett schwimmt oben. Haha.« Oder so ähnlich.
Das Schlimme war, dass keiner was gegen ihn unternommen hat, weil er an Bord das Sagen hatte. Einmal bin ich so seekrank geworden, dass ich sterben wollte. Roland Dunkels einziger Kommentar war (es standen nur so sieben, acht Leute um uns herum): »Jetzt müsst ihr euch mal Frau Schatz anschauen. Die hat gekübelt. Ihre Zunge ist so belegt, als hätte ’ne Möwe draufgeschissen.« Und alle haben sich
totgelacht
. Das Frechste aber an dieser ganzen Geschichte ist, dass Mr. »I am a sailing man, yeah« mich am letzten Abend auch noch angemacht hat.
Männer eben. Als ich ihn zum Teufel gejagt habe, sorgte er dafür, dass die Toiletten an Bord nicht mehr funktionierten, was zur Folge hatte, dass ich mich wie eine Eingeborene auf einen Holzeimer setzen musste.
Gero liebt diese Geschichte und muss sie immer wieder hören. Er behauptet steif und fest, dass Roland Dunkel eigentlich in mich verliebt gewesen wäre und ich, ohne es zu wissen, mein Glück mit ihm hätte wegsegeln lassen. Gero ist eben ein unverbesserlicher Romantiker. Ich glaube, niemand möchte mit einem Kerl zusammenleben, der zu einem sagt: »Hast du eigentlich immer so versoffene Augen?« oder: »Jede Falte, mein Schatz, ist ein Lebensjahr. O mein Goooott, bist du ALT !«. Danke, darauf kann ich verzichten.
Gero meint, ich hätte mein Lebensglück versäumt mit diesem Mann. »Stell dir vor, immer auf den schönen Booten. Und dann hätte er dich immer auf diese Reisen mitgenommen.«
Ich weiß nur eins: Wenn ich Roland Dunkel irgendwann mal wieder treffen sollte, werde ich es ihm heimzahlen. Weiß noch nicht, wie, aber ich werde! Rachegedanken sind was Herrliches. Vielleicht sorge ich dafür, dass Herr Dunkel festgebunden im Hafen steht, während sein Katamaran (ein Traumboot, so was Schööööönes, nach seinen Entwürfen gefertigt, alles toll, alles wunderbar, mit Kohlefasermast, jaja, vornehm geht die Welt zugrunde) von einer Horde Schwerkrimineller aus Sizilien, die wissen, wie sie was zu zerstören haben, vor seinen entsetzten Augen zertrümmert wird. Ein Stück Mast kann er ja dann noch als Souvenir behalten und sich daraus mit einer Glühbirne eine Stehlampe basteln. Aber nur, wenn ich einen guten Tag habe. Da wird er nichts mehr zu lachen haben, der gute Herr Dunkel.
Ich frage mich, ob dieser Mann verheiratet ist. Eine Beziehung zu ihm wäre die interessanteste Viertelstunde meines Lebens. Außerdem – wer will schon mit Nachnamen Dunkel heißen? Wenn man den falschen Geburtsnamen hat und dann womöglich nach der Hochzeit einen Doppelnamen, hieße man Halb-Dunkel. Oder Dunkel-Heit. Oder Dunkel-Kammer. So was Dämliches. Freunde von mir wollten ihre Tochter Flotta nennen. Gut, dass ich sie darauf aufmerksam machte, dass sie mit Nachnamen Dreyer heißen. Schön auch: Armin Gips.
Oder Ellen Bogen. Rainer Zufall. Und die Krönung: Axel Schweiß. Nein, die Krönung ist: Per Wehrs. So heißt tatsächlich jemand, den ich kenne. Er tut mir Leid.
Gero kommt noch auf einen Wein mit hoch. Vor meiner Wohnungstür halte ich inne. »Pscht, pscht«, mache ich in Geros Richtung. Aus der Wohnung kommen Geräusche. Einbrecher! Fremde Menschen wühlen gerade in meinen Schränken auf der Suche nach Bargeld und wertvollem Schmuck. Keines von beidem ist vorhanden, aber das wissen die ja nicht. Und dann, weil sie so wütend sind, zerlegen sie alles. Wie die Sizilianer das Boot von Herrn Dunkel. Da sieht man mal wieder, was Rachegedanken
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