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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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bewirken! Man wird selbst zum Opfer. Gero sieht so aus, als würde er gleich anfangen zu heulen. Er ist immer gleich so überfordert, wenn irgendwas passiert. Ich nicht. Ich werde mich dem Feind stellen.
    Schließlich ist das immer noch meine Wohnung! Also schließe ich auf und rufe: »Polizei! Stehen bleiben! Hände über den Kopf!« Was für ein genialer Auftritt. Aber vor mir stehen nur Richard und Frau Eichner zwischen hundert Umzugskartons. »Was ist denn hier los?«, frage ich verwirrt.
    »Wir packen deine Sachen«, sagt Richard. Er ist ganz rot im Gesicht. »Morgen klemme ich deinen Herd ab. Gero, kannst du morgen bei den schweren Möbeln helfen?«
    Gero nickt.
    »Gell, Frau Carolin, des kann doch in de Müll?« Frau Eichner hält mir eine antike Blumenvase unter die Nase.
    »Moment mal«, sage ich. »Ihr könnt doch nicht einfach in meine Wohnung gehen und meine Sachen packen. Und Frau Eichner, die Vase wird natürlich nicht weggeworfen. Die ist ganz alt.«
    »Eben«, sagt Frau Eichner und lässt die Jugendstilvase, ein Einzelstück, das ich mal auf einer Auktion ersteigert habe, in einen Müllsack plumpsen, in dem sich leider sonst noch nichts befindet, was zur Folge hat, dass die Vase in tausend Scherben zerspringt.
    »Wir haben die Kellerräume in der Erichstraße schon so weit hergerichtet«, redet Richard weiter.
    »Trotzdem könnt ihr hier nicht einfach meine Wohnung ausräumen.«
    Also gibt es denn so was?
    »Wie du siehst, können wir das wohl«, antwortet Richard. » DU machst es ja sowieso nicht, weil du gar nicht ausziehen WILLST . Und dann mitten in der Cluberöffnungsphase kommst du an und willst, dass wir dir helfen, wo wir dann alle andere Sorgen haben. Also rede nicht viel herum, sondern pack die Kiste da zu Ende. Pitbull und Pinki kommen gleich mit einem Transporter, damit wir die erste Fuhre schon rüberfahren können.«
    Ich bin eine alte Frau, keiner liebt mich. Und jetzt bin ich auch noch entmündigt worden. Ich werde den Rest meines Lebens in provisorischen Kellerräumen verbringen müssen. Ohne festen Wohnsitz. Mit der Gewissheit, dass in den Stockwerken über mir Leute Sex haben. »Endstation« passt also doch. Es ist zum Heulen, zum Heulen, zum Heulen.
    Weil ja sowieso alles egal ist, packe ich den Karton fertig und dann den nächsten und so weiter.
    Frau Eichner lebt im Übrigen wieder normal und möchte auch nicht mehr auf einem Besenstiel reiten. Esoterik ist nichts mehr für sie. Auf Geister, die Meta heißen, will sie auch nicht warten. »Da kann isch mei Zeit mit nützlischere Sache verbringe, Frau Carolin, gell, wie jetzt grad, wo mir alles packe dun.« Alles, alles andere wäre nützlicher. Aber das ist ja nicht meine Sache.
    Richard ist sehr froh. Er hat von seiner Versicherung für den geklauten VW -Bus eine hohe Zahlung bekommen. Für das Geld möchte er sich neu einkleiden. Ob ich mitkommen könnte. Weil es ja Frauenkleider sein sollen, und da traut er sich nicht alleine in eine Boutique. Außerdem ist es ja schöner, eine Freundin dabeizuhaben. Er zwinkert mir zu. »Da sind dann die Weiber unter sich, hihi«, sagt er.
    Frau Eichner wirft unterdessen eine Obstschale aus Meißner Porzellan in den Müll.
    Gleich werde ich verrückt, gleich. Warum kann ich nicht einfach ganz normal leben? Mit einem Acht-Stunden-Bürojob und einem Leben, das vorausschaubar und gradlinig ist. Mit der Gewissheit, morgens schon zu wissen, was abends passiert. Ein Leben, in dem der Höhepunkt der Mittwoch ist, weil ich mich dann mit meinen Freundinnen zum Romméspielen treffe oder zur Gymnastikstunde.
    Es klingelt an der Tür. Ich lasse Gero öffnen, weil ich Angst habe, dass es Marius ist. Aber Gero kommt zurück und sagt, dass da ein Mann in einem Anzug steht, der mich persönlich sprechen möchte. Wer könnte das sein? Vielleicht Herr Parusel, der sich dafür entschuldigen will, dass wir so viel Schutt zum Bauhof bringen mussten und auch dauernd gestolpert sind über die Hasen und Ratten und anderen Tiere. Aber vor mir steht ein seriöser Mann mit einer schwarzen Aktentasche, der mich fragt, ob ich wirklich die bin, die ich bin. »Ja«, sage ich
    etwas verwirrt. Er möchte bitte meinen Personalausweis sehen und fragt, ob er kurz hereinkommen kann. Gero und Frau Eichner stehen da wie zwei Ölgötzen, nur Richard räumt weiter Kartons ein.
    »Frau Schatz«, sagt der Mann, der sich als »Angenehm, Würfel. Hans Dieter Würfel« vorstellt, »Frau Schatz … « Er muss sich räuspern. »Ich komme

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