Fremd küssen. Roman
tragen wir natürlich auch.
Geros Mutter kommt uns mit wehender Kittelschürze durch den Vorgarten entgegen. »Da sind sie ja, die Kinder!«, ruft sie euphorisch und drückt mich an ihren überdimensionalen Busen. »Lass dich anschauen!« Sie schiebt mich ein Stück nach hinten. »Na, wenn das kein Babybauch ist«, jubiliert sie. Meine Laune sinkt sofort auf den Nullpunkt. »Ich bin nicht schwanger, Therese«, sage ich mürrisch.
»Aber wir arbeiten dran, Mama, wir arbeiten dran!«, versichert Gero beschwingt. »Nicht wahr, Caro?« Ich nicke böse.
»Also ich hab ja damals sofort gewusst, dass ich schwanger bin«, sagt Therese. »Das war ja damals nicht so mit Ärzten. Hier war ja nur Land und kein Arzt weit und breit. Da musste man sich selbst behelfen. Ach, wie war ich glücklich, als ich dich endlich im Arm halten konnte, mein Junge. Und am gleichen Tag bin ich wieder raus aufs Feld. Die Kartoffelernte stand ja an. Dich hab ich einfach in ein Tuch gepackt und mitgenommen. Du warst immer bei mir. In Afrika machen das die Frauen auch so, die wickeln sich die Babys einfach in eine Decke und tragen sie am Körper. So kriegt man eine starke Bindung zu seinem Kind. Deswegen haben wir auch so eine starke Bindung, mein lieber Junge! Ach, ach, ach. Wie freue ich mich darauf, endlich Großmutter zu werden. Ihr müsst schön fleißig weiterüben, ihr zwei!« Sie schaut uns so erwartungsvoll an, als müssten wir sofort ins Schlafzimmer gehen und anfangen.
Geros Vater ist nicht ganz so redselig wie Therese. Eher der joviale Typ, der immer Pfeife raucht und Zeitung in einem alten Ledersessel liest.
Ein Vater wie in der Storck-Schoko-Riesen-Werbung mit Strickjacke und Lebenserfahrung und randloser Brille. Er nennt Gero nicht Gero, sondern »mein Sohn«.
Therese hat natürlich gekocht. Es gibt Frikadellen in rauen Mengen und Würstchen und Kartoffelbrei und Erbsen mit Karotten und so weiter. Alles schön mit Butter, damit aus den Kindern was wird. Sie ist ununterbrochen am Schnattern und wir müssen mit ihr in den Garten gehen und die Blumen bewundern und das Obst und Gemüse. Es ist ja gerade Einmachzeit, und natürlich gibt sie uns später bergeweise Marmelade und Gelee und was weiß ich alles mit. Gegen 21 Uhr dürfen wir endlich aufbrechen, natürlich erst, nachdem das halbe Dorf vorbeigekommen ist, um sich von Therese anzuhören, dass sie glaubt, bald Hochzeitsglocken läuten zu hören. »Wenn das Kleine dann erst da ist, hat es hier die schönsten Möglichkeiten zu spielen! Unser Garten freut sich auf unser Enkelkind!«
Während wir losfahren, steht sie mit ihrem Mann und wehendem Tuch an der Straße und winkt. Ich glaube, dass Therese und Mausi sich äääächt geilcool verstehen würden – wenn sie sich gegenseitig ausreden lassen. Jedenfalls habe ich jetzt genug Marmelade für die nächsten zehn Jahre.
Auf dem Rückweg ist wieder Stau, weil ein Lkw umgekippt ist. Weil uns langweilig ist, erzählen wir uns lustige Geschichten aus unserem Leben. Daran hapert es bei mir nun wirklich nicht. Obwohl – sie sind ja eher peinlich, meine Geschichten. Oder zum Weinen. Gäbe es »Schreinemakers live« noch, würde Margarethe nach einer Geschichte von mir mit dem gesamten Studiopublikum in Tränen ausbrechen. Das konnte sie ja immer gut, die Margarethe.
»Erzähl mir noch mal die Geschichte von dieser Pressereise nach Mallorca!«, bittet mich Gero. O nein. Das war mit das Schlimmste. Ich hatte mich damals in einem Anflug von geistiger Umnachtung freiwillig zu einem Segel-Lernwochenende angemeldet und sollte dann für unser Reisemagazin Beiträge über diesen ja so tollen Sport »Segeln« machen.
In der Reisebeschreibung hörte sich alles toll an. Gutes Essen, tolle Boote und alles ein Kinderspiel vor traumhafter Kulisse. Nichts wie hin.
Vor Ort waren auch Redakteure einer Segelzeitschrift, die mitgefahren sind, weil sie eines der Boote für ihr komisches Heft testen sollten. Davon mal abgesehen, dass alle Leute, die segeln, einen schrecklich arroganten Eindruck machen, waren die Redakteure dieser Zeitschrift wirklich arrogant.
Einer hatte es ganz besonders auf mich abgesehen. Er hieß Roland Dunkel und hasste mich. Okay. Es gibt ja Menschen, die sieht man und mag sie nicht. Aber deswegen muss man diese Menschen doch nicht so fertig machen, dass sie sich wünschen, ein vorbeilaufender Passant würde sie versehentlich töten, nur damit das Unheil ein Ende hat.
Roland Dunkel ließ keine Gelegenheit aus, mich zu
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