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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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»echt«, hatte Melrose damals gesagt. Er nahm diese alte Debatte mit sich selbst wieder auf, obwohl sie eigentlich längst ad acta gelegt war. Zuerst hatte er es sehr schwierig, seiner Mutter zu verzeihen, und dann bemerkenswert einfach.
    Ein wüst dreinschauender Hammerhai bewegte seinen massigen Körper vor ihnen her, während Hughie immer noch über die Familie Delaware redete.
    An Stech- und Adlerrochen vorbei gingen sie zum Ausgang. Vor den Aquarien sagte Hughie: »Eigentlich gar nicht so übel. Das Leben hier, meine ich. Naturschutzgebiet -keine Gefahren, ein Bett und drei ordentliche Mahlzeiten am Tag. Und man muß keine Angst haben, daß einem einer ein Messer in den Rücken sticht.«
    »Ich weiß nicht. Es ist doch überhaupt nicht spannend. Glauben Sie nicht, es muß auch eine gewisse Spannung im Leben geben, damit es nicht auseinanderfällt?« Na, das war doch mal wieder echtes britisches Pathos.
    Das fand Hughie auch. »Spannung? Au, Junge, ich wette, die ganzen Penner - Entschuldigung, die ganzen Obdachlosen - finden es bestimmt bärenstark, so unter Spannung zu stehen.«
    Melrose dachte an Cloudcover und dessen absurd ironischen Namen. Er sah Wes’ und Jerrys Gesichter vor sich. Die Cider Alley und Milos. Wie Milos dastand und versuchte, die Zigarre in seine Jackentasche zu stopfen.
    Die Jacke!
    Herr im Himmel, dachte Melrose, denn plötzlich kam ihm ein Gedanke: die Hose, die er in John-Joys Karren gefunden hatte. »Hughie, wir müssen los.«
    »Was, zum Teufel? Wo fahren wir hin?«
    »Zurück zum Nouveau Pauvre.«
Kapitel 30/III
    »Macke? Ich habe keine Macke! Verdammte Scheiße, was reden Sie da?«
    Diesmal war Melrose fest entschlossen. Nach zwei weiteren Versuchen, Milos in die Hand zu schreiben, und einem Bündel Geldscheine, mit denen Milos sich eine ganze Pizzeria hätte kaufen können, brachte Melrose endlich die Worte »Jacke« und »Jackett« rüber. Als Milos immer noch nicht geneigt war, seine Anzugjacke aufzugeben, und brüllte, dazu sei es, verdammt noch mal, zu kalt, schrieb Melrose ihm in die Handfläche »T A U S C H E N«.
    Es mißfiel ihm zwar außerordentlich, das letzte ihm verbliebene anständige Kleidungsstück - seinen zweireihigen blauen Blazer - zu verlieren, aber sonst hatte er nichts mehr. Sie tauschten.
    Der Blazer war ein wenig schick für Milos, aber das störte ihn nicht. Er war sorgfältig mit der Hand darüber geglitten, hatte sich von der einwandfreien Qualität überzeugt und eingewilligt, sein Nadelstreifenjackett dafür herzugeben. Nein, verkaufen würde er es nicht. Wann bekäme er je wieder ein so feines, wenn nicht jetzt das von Melrose? Dieses Jackett hatte er John-Joy schon immer abschwatzen wollen, und John-Joy hatte ihm versprochen, er bekäme es, wenn er stürbe.
    »Aber wenn Sie den Cops erzählen, wo ich das Jackett her habe, sage ich, Sie sind verrückt, das sind Sie sowieso.«
    Melrose erklärte, er habe keinerlei Bedürfnis, es der Polizei zu sagen.
    Milos rollte die Ärmel des Blazers auf, schüttelte die Schulternähte zurecht und schrie: »Wie seh ich aus?«
    »Wunderbar!« schrie Melrose zurück. Als Milos »Was?« blaffte, schrie er es noch einmal. Auf die Prozedur mit der Schreiberei in die Handfläche hatte er nicht noch einmal Lust.
    Da er seinen Mantel längst eingebüßt hatte und auch kaum in dem Seidencape durch Baltimore fahren konnte, blieb ihm keine andere Wahl, als das Nadelstreifenjackett anzuziehen. Sei’s drum. Er klopfte sich auf die zugenähte Brusttasche (deshalb war die Zigarre nicht hineingegangen) und fühlte darin etwas, das Papier sein konnte.
    Der Kram, hoffte er und kletterte ins Taxi.

Kapitel 31
    Das Stadion, ein roter Bau aus Ziegeln und Beton unter strahlend blauem Himmel, roch pfuschneu und hallte regelrecht wider von den künftigen Besuchermassen. Erwartungsvoll summte es in der Luft. Jury stieg die hohen, breiten Treppen hinunter und bewunderte Konstruktion und Silhouette.
    Der Stadionwart hatte ihn Gänge mit roten Ziegelsteinbögen hinauf- und hinuntergeschickt, die quer durch das riesige Mosaik der Tribünen und Blöcke ins Zentrum dieses Meeres aus grünen Sitzen verliefen. »Er kann überall und nirgends sein«, hatte der Mann gesagt, mehr beeindruckt von dem Namen Patrick Muldare als von Jurys Plastikausweis. Er hatte gerade Kaffeepause, hatte sich in seinem Stuhl gefläzt und wies Jury den Weg, indem er mit dem Daumen hinter sich zeigte. Dann begab er sich wieder an seine Sportillustrierte (»die neue

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