Fremde Federn
reden gern und sind gutgelaunt. Ich glaube, Makler lieben ihren Beruf. Und wenn man will, springt auch noch ein freies Mittagessen dabei heraus. Aber das mach ich nicht; ich nutze sie nicht aus. Oft lade ich sie sogar zum Mittagessen ein. Und wenn man ins offene, weite Land fährt, zum Beispiel in Montana oder Colorado, irgendwo, wo die Landschaft richtig schön ist - herrlich. Sie fahren durch die Gegend, gucken sich ein Haus an, fahren wieder ein bißchen. Auf diese Weise bin ich in Aspen, Colorado, und in Jackson Hole gewesen. Ich kann Ihnen sagen, das ist mal was anderes.«
Melrose sah Lexington Market durchs Fenster, merkwürdig traurig bei dem Gedanken daran, wie Hughie seine Ferien in Boca Raton und Colorado verbrachte, mit Maklern herumfuhr und Häuser anschaute, die von ihren Bewohnern verlassen worden waren. Hughie, der in Küchen und Schränken und Blumenbeeten herumschnüffelte, über weiße Sandstrände bummelte und hin und wieder einen Blick in das Leben anderer Menschen riskierte.
Das alles ging Melrose durch den Kopf, während sie an den glitzernden Gebäuden von Harborplace vorbeifuhren, und plötzlich sagte er: »Ich hab’s mir überlegt, Hughie. Gehen wir ins Aquarium.«
Kapitel 30/II
Hughies Heimat war definitiv das Meer.
»Da drin sind die Stechrochen«, sagte er, als sie in eine schimmernde Welt von Licht und Schatten, grünem Wasser und blauen Neonlampen traten.
Sie beugten sich über die Betonmauer und betrachteten die Rochen, die wie riesige bleiche Fächer durchs Wasser glitten.
»Mann, den Süßen möcht ich nicht im Dunkeln begegnen! Schauen Sie sich doch mal den Burschen an! Das is ’n Kuhkopf rochen.«
Der Kuhkopfrochen schoß direkt auf Hughie zu.
»Haben Sie Fische?« fragte Hughie.
»Fische? Nein.«
»Ich kaufe mir vielleicht welche. Wissen Sie, ein Aquarium mit ein paar tropischen Fischen.«
Der Rochen ergriff die Flucht. Vielleicht fürchtete er den Umzug in Hughies Aquarium.
Sie gingen eine Rampe hoch zu dem riesengroßen runden Behälter, der die Haie beherbergte. Im zweiten Stock wurden sie mit Geräuschen vom Band verwöhnt, von Urwaldgrunzen, -schnauben, -schreien und den Rufen von Nilpferden, Seehunden und Pinguinen. Die Zoologen und Ornithologen des Aquariums hatten vollständige kleine Welten kreiert. Nun standen Melrose und Hughie vor einer, die »Allegheny Pond« hieß, und Hughie quatschte die ganze Zeit über sauren Regen. »Wenn Sie mal was Schönes sehen wollen, dann fahren Sie in den Westen Marylands. Nach Allegheny oder Garrett County.« Er deutete mit dem Kopf auf das Glas, hinter dem kleine Fische schwammen und eine Schildkröte sich zentimeterweise voranschob. Ein Ochsenfrosch saß auf einem flachen Stein. Der Teich wurde von einem sich über Felsen ergießenden, künstlichen Wasserfall gebildet. »Saurer Regen. Sehen Sie?« Hughie zeigte auf das Schild. »Der erwischt die Hälfte der Flüsse dort oben. Haben Sie das Problem in England auch?« fragte er, als sie zur Chesapeake Bay nebenan weiterzogen.
»Heute gibt’s doch überall sauren Regen.«
»Ja, wird wohl so sein.«
Sie blieben stehen und grübelten über das Ökosystem der
Chesapeake Bay nach. »Ich hab ’ne Schwester in Delaware wohnen. Sie sagt, das Wasser da ist richtig schlecht. Die Strände, wissen Sie. Ich fahre nicht oft nach Delaware - he, habe ich Ihnen die Geschichte über die Delawares erzählt?«
»Doch, doch.« Melrose wollte eine Wiederholung von Adel verpflichtet vermeiden.
Hughie ließ sich nicht beirren: »Also, wenn die Queen das Handtuch schmeißt, übernimmt Prinz Charles, stimmt’s?«
»Genau. Es sieht bloß im Moment nicht so aus, als verspüre er große Lust dazu.«
»Im Ernst?« Hughie schürzte die Lippen und dachte darüber nach. Er ging mit dem Gesicht näher ans Glas. »Da ham wir blaue Schwimmkrabben und Sumpfschildkröten, in der Chesapeake Bay.« Er nickte in Richtung des sumpfigen Geheges.
Sie gingen weiter.
»Und wer übernimmt dann?«
»William.«
»Wer ist das?«
»Charles’ Sohn.«
Hughie runzelte die Stirn. »Und wer ist eigentlich Prinz Andrew?«
»Charles’ Bruder.«
»Sie meinen, der Bruder kommt nicht zuerst? Sie meinen, das Gör erbt’s? Mein Gott.« Mißbilligend schnalzte er mit der Zunge. Beim Schlangestehen für den Thron Großbritanniens ging es aber auch gar zu ungerecht zu. »Kein Wunder, daß dieser Delaware seinen Onkel abgemurkst hat.«
Melrose schaute ihn an, schüttelte den Kopf, schaute weg. »Das ist aber nicht
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