Fremde Federn
hätte. Und sie war sehr klug.«
»Bev.« Muldare bemühte sich nicht, seinen Mangel an Begeisterung für sie zu verbergen. »Aber das würde heißen, daß Bev über meine Herkunft Bescheid wußte, und das, was ich Ihnen gerade erzählt habe, habe ich ihr nie erzählt. Es sei denn, Alan hat ihr etwas erzählt. Familienbande sind für Alan wahrscheinlich wichtig. Er kriegt eine Menge Geld, falls ich abtreten sollte, wenn er noch da ist.« Er schaute Jury an. »Ob das wohl so kommt? Da Sie ja die Notizen von Beverly so ernst nehmen - die anderen beiden sind tot.«
Die Frage beantwortete Jury nicht direkt. Er schaute sich auf dem Spielfeld und in dem Stadion um, dessen Bau Männer wie Patrick in die Wege geleitet hatten. »Sie sind sehr reich, Pat. Kann es sein, daß Leute Ansprüche auf Ihr Geld erheben könnten, die Sie gar nicht kennen?«
Darauf antwortete Muldare ganz logisch: »Na ja, wenn ich sie nicht kenne, wie soll ich dann die Frage beantworten?«
»Ja, stimmt. Hm ...« Jury stand auf. »Bleiben Sie noch?«
»Ja, klar.«
Jury lächelte, verabschiedete sich und kletterte die steilen Stufen hinauf. Oben drehte er sich um und winkte Patrick Muldare zu, der zurückwinkte. Wieder betrachtete er das geometrisch unregelmäßige Muster des Feldes, die ringförmig angeordneten Sitzreihen, und wieder empfand er eine Welle von Kraft. Er überlegte, ob es stimmte, daß Orte Energie aufsaugen, sie wie ein riesiger Generator sammeln und die Atmosphäre zum Vibrieren bringen, als sei sie durchzogen von Hochspannungsdrähten. Die kahlen Linien in den Getreidefeldern im Norden von Oxfordshire und Wiltshire; Stonehenge oder diese Stadt in Arizona, das waren solche Orte. Die Rollright Stones in Oxfordshire fielen ihm ein, von denen kürzlich behauptet worden war, sie entzögen Radios den Strom und brächten Uhren zum Stehen. Als er von oben auf den Rasen schaute, hatte er beinahe das Gefühl, dieses großartige neue Stadion sei eine der uralten Stätten dieser Erde.
Er schaute auf seine Uhr um zu kontrollieren, ob sie noch ging.
Kapitel 32/I
Melrose hatte sich in die Wärme seines Kaminfeuers im Admiral Fell Inn zurückgeflüchtet und zupfte an dem Faden, mit dem die Jackentasche zugenäht war. Wenn er nur etwas anderes als seine Finger dazu hätte benutzen können! Die Naht war doppelt und dreifach genäht, und es dauerte eine Weile, bis sie aufging. Endlich war es soweit, und er holte ein Stück Papier aus der Tasche, das knisterte, als er es berührte. So wie die Jackentasche viele Male übernäht worden war, so war auch der Zettel immer und immer wieder gefaltet worden; es war ein kleines, kompaktes Viereck. Melrose faltete es sehr sorgfältig auseinander, das teefarbe-ne Papier war alt und abgegriffen, so daß an manchen Knickstellen Licht durchschien.
Es war die Geburtsurkunde eines Garrett John Joiner Calvert. Mutter: Ann Joiner. Vater: Charles Calvert.
Calvert. Melrose starrte ins Feuer.
Calvert ... Joiner. Er hörte Wes’ Stimme: »John-Joy ist bloß ein Spitzname.« Joiner ... Joy. Aber die Geburtsurkunde konnte nicht John-Joys sein; sie war auf den 13. August 1784 ausgestellt. Sie bestätigte allerdings die Verwandtschaft zu den Calverts - zumindest war John-Joy der Meinung gewesen. Hieß das, auch zu Philip?
Melrose nahm die Geburtsurkunde wieder zur Hand. Philip Calvert (hatte Jury ihm gesagt) wäre beim Tod seiner Tante, dieser Mrs. Hamilton, ein reicher Mann geworden. Aber es ergab keinen Sinn, daß ihn jemand wegen der Erbschaft hätte umbringen sollen, denn wer immer Philip Calvert ermordet hatte, war doch wohl nicht davon ausgegangen, daß er selbst Anspruch auf das Vermögen von Mrs. Hamilton würde erheben können. Es sei denn natürlich, ein neues Testament wurde vorgelegt und neue Verwandte entdeckt. Sollte hier ein Weg für etwas Zukünftiges geebnet und nicht etwas Vergangenes bereinigt werden?
Melrose versuchte, sich an den Namen des Professors zu erinnern, für den Beverly Brown gearbeitet hatte, den Geschichtsprofessor. Den Genealogen. Lamb. Er griff zum Telefon und bat die Empfangsdame, ihm eine Verbindung zur Johns Hopkins herzustellen. Nachdem er von einem Apparat zum anderen durchgestellt worden war, beschied man ihm schließlich, daß Professor Lamb für heute schon gegangen sei, und nein, private Telefonnummern gebe man nicht heraus, hieß es, und zwar ziemlich pikiert. Dann versuchte er, Ellen zu erreichen. Auch dort war niemand. Melrose gab auf.
Er dachte über Milos nach. Er
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