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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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daß er einer der Barone Baltimore war, und ihm diese Urkunde gab, mit der er es angeblich beweisen konnte?«
    »Wieso aus Rache?«
    Jury schüttelte den Kopf. »Patrick Muldare. Ehrlich gesagt, glaube ich, daß er mit ihr Schluß gemacht hat. Ich glaube aber auch, daß jemand, der Beverly abservierte, ein großes Risiko einging. Und angesichts dessen, daß Patrick alles, aber auch alles geben würde für etwas - so hat er sich jedenfalls ausgedrückt - etwas >Spektakuläres, eine dramatische Geste, etwas Hollywoodmäßiges< ...«
    Darüber dachten alle nach, und es entstand ein langes Schweigen. Schließlich fragte Melrose: »Wo ist Ellen?«
    »An der Hopkins, Sir«, antwortete Wiggins. »Sie hat gesagt, Sie hätten ihr heute so viel von ihrer Schreibzeit gestohlen, daß sie heute abend hingehen wollte, um es aufzuholen.«
    »Ach, gewiß doch, gewiß doch. Ich bin an allen ihren Schreibschwierigkeiten schuld.«
    »Weitgehend«, lächelte Wiggins breit. Dann machte er sich wieder daran, das Haushaltsbuch zu studieren.
    »Diese Bücher haben Sie in John-Joys Karren gefunden, stimmt das?« fragte Jury. »Und der Karren stand da, als die Cops die Leiche gefunden haben.«
    »Ich denke schon.«
    »Warum hat der Mörder ihn nicht mitgenommen? Erstens wäre das Zeug doch sehr belastend gewesen, wenn jemand so schlau wie Sie gewesen wäre und es herausgetüf-telt hätte. Aber was viel wichtiger ist, er hätte das, was drin steht, gebraucht, um seine Ansprüche anzumelden. Ich meine, was, zum Teufel, wollen Sie dem Oberhaus präsentieren um zu beweisen, daß Ihre Vorfahren die Barone von Baltimore waren?«
    Wiggins wandte sich an Melrose Plant. »Genau meine Frage.«
    »Ich weiß nicht. Mehr, als hier liegt, wahrscheinlich. Aber es ging gar nicht darum, das Oberhaus zu überzeugen, oder? Es ging darum, Patrick Muldare zu überzeugen.«
    Wieder saßen sie da und schauten sich die Dokumente an. »Mist«, sagte Jury. »Die müssen gefälscht sein. Ist doch logisch ... Ich sehe es den Dokumenten allerdings nicht so ohne weiteres an.«
    »Eines ist auffällig, Sir«, sagte Wiggins.
    »Was?«
    »Die Person, die diese Spalten aufaddiert hat, konnte nicht rechnen.«
    Jury nahm das Haushaltsbuch, fuhr mit dem Finger die Spalten entlang und las leise die verschiedenen Gegenstände vor: »... >Decke für Charles< ... >Windeln für Klein-Garrett< ... hm, hm.« Dann erledigte Jury ein paar simple Rechenaufgaben. »Diese Spalte beläuft sich auf zwei Shilling, acht Pence. Das kommt aber mit den zehn Pence für den sogenannten Kleinen Garrett nicht heraus. Schauen Sie.« Er drehte das Buch so, daß Melrose es sehen konnte. »Wenn man diese beiden Posten von den jeweiligen Summen subtrahiert, dann ist das Ergebnis korrekt.«
    Wiggins und Melrose schauten sich die Seite an.
    »Was heißt, daß jemand anderes die Dinge für Charles und Klein-Garrett hineingeschrieben hat, und ihre Namen. Das Haushaltsbuch soll beweisen, daß diese Menschen existiert haben. Charles und Garrett müssen die Verbindungsglieder zur gegenwärtigen Generation der Calverts sein.«
    »Nur haben diese beiden nie existiert«, fügte Jury hinzu.
Kapitel 34
    Wie kriegte sie Sweetie je wieder aus dieser prekären Situation? Die Arme starrte noch immer in die leere weiße Schachtel. Ellen schrieb.
    Sweetie nahm die Schachtel vorsichtig in beide Hände und hielt sie, als könne sie jeden Moment in Stücke zerbrechen. Sie hob den Blick zum Briefschlitz.
    Ellen hob den Blick und starrte auf die leere Wand über ihrem Schreibtisch. Die blieb auch leer, dafür sorgte Ellen schon - keine Bilder, Pinnwände, Zettel, all das Zeug, das einem den Kopf vernebelte und die Illusion in einem nährte, die Dinge hätten eine chronologische Ordnung. »Ellen: Lunch Donnerstag? Cafeteria?« Solche Nachrichten hingen keinesfalls da oben an der Wand. Die Wand als condition humaine war eben nicht determiniert. Donnerstag war ein Begriff, auf den man sich genausowenig verlassen konnte wie auf Pralinen in einer Pralinenschachtel. Kein Wunder, daß Sweetie die Dinge mit Schildchen versehen mußte: den Zucker, den Krug, den Teller. In Sweeties Haus konnte man sich auf nichts verlassen. Die Zeit war zerbrochen, sie torkelte wie ein FrankensteinMonster, schleppte sich daher, strauchelte, zerfiel in ihre Bestandteile.
    Sweetie wußte nicht, wie lange sie die Schachtel in Händen gehalten hatte. Sie wußte nicht, ob es Tag oder Nacht war.
    Ellen drehte sich um und schaute aus dem Fenster. Gut, Nacht.

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