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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Rabenschwarz. Dann schaute sie hinter sich auf die Uhr an der Wand. Sie, Ellen, wußte ganz sicher, wie lange sie schon an diesem Schreibtisch saß. Eine Stunde siebenunddreißig Minuten. Siebenunddreißigeinhalb. Der Zeiger rückte vor. Achtunddreißig. Noch zweiundzwanzig Minuten mußte sie hier sitzen. Zweiundzwanzig Minuten würde sie doch sicher noch überstehen.
    Herrje! Ellen ballte die Hände zur Faust und schlug auf den Schreibtisch. Dann legte sie den Kopf in die Hände. Oh, sie wußte, was Maxim vorhatte, aber sie wußte nicht, warum. Luft. Sie brauchte Luft.
    Sie stand auf, ging zum Fenster, die Kette zog an ihrem Knöchel. Sie öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus. Eiskalte Luft schnitt ihr in die Haut, sie war froh darüber. Vielleicht wachte ihr Verstand auf. Sie schaute hinunter, und aus Mangel an einer lohnenswerten geistigen Beschäftigung beschloß sie auszurechnen, ob für den Fall, daß sie sprang, die Kette lang genug war, als daß sie, Ellen, daran baumeln konnte. Sie betrachtete die Kette, maß sie mit den Augen ab. Ein Meter fünfzig Spiel, ungefähr. Sie lehnte sich weiter hinaus und stellte fest, daß sie so weit vom Boden nicht entfernt war und zumindest der Busch da unten den Fall aufhalten würde. Sie würde wahrscheinlich zwei Meter fünfzig über dem Boden hängen, und dann würde die Kette zerreißen .
    Ach, du lieber Himmel. Sie kam wirklich auf die abartigsten Ideen, um nicht schreiben zu müssen! Ellen schlug das Fenster zu.
    Sie schleppte sich zum Schreibtisch, schaute (schuldbewußt) auf die Uhr und sah, daß sie volle vier Minuten am Fenster verbracht hatte. Ach, was war das schon (stritt sie sich mit ihrem Schuldbewußtsein). Konnte man nicht einmal unterbrechen, um ein bißchen frische Luft zu schnappen?
    Aber das hatte sie doch gar nicht gemacht, oder? Sie hatte aus dem Fenster gehangen und überlegt, wie lang die Kette war. Stimmte das nicht? Eigentlich müßte sie den Wecker neu stellen und fünf Minuten zugeben. Zehn, um ehrlich zu sein. Sie hatte ja auch schon fünf Minuten damit vergeudet, sich die Nägel zu feilen.
    Ruhe, Ruhe, Ruhe, Ruhe! Und dann, alte Besserwisserin, die sie war, dachte sie: Neu stellen kann ich ihn ja gar nicht! Weil ich nicht dran komme, nicht mit der Kette am Knöchel.
    Wirklich nicht? fragte ihr pflichtbewußtes Ich. Wenn du nicht an den Wecker kommst - Ellen schlug die Hände über die Ohren, als spräche wirklich eine Stimme zu ihr. Sie wußte, was jetzt kam.
    - dann kommst du auch nicht an den Schlüssel. Der Ton dieses Ich war einfach unerträglich selbstgefällig und überheblich.
    Es wird schon jemand kommen. Sie werden kommen. Richard Jury hatte gesagt, er würde sie abholen und nach Hause bringen. Haha.
    Sehr zufrieden, weil sie sich selbst überlistet hatte, setzte sie sich hin. Da hörte sie Schritte über den Flur kommen. Ich hab’s dir doch gesagt, oder etwa nicht? sagte sie zu ihrem pflichtbewußten Ich. Und dann war sie deprimiert, weil es ihr eigentlich nicht gefiel, wenn sie einen solchen Streit mit sich selbst gewann.
    Na ja, er würde eben eine Weile warten müssen.
    Das Klopfen am Türrahmen (sie hatte die Tür aufgelassen) und die Begrüßung erfolgten gleichzeitig. Sie schaute auf.
    »Hallo.«
    Ellen runzelte die Stirn. Was wollte Alan Loser hier?
    Das begriff sie eine Sekunde später. Er hielt eine Knarre in der Hand. Die auf sie gerichtet zu sein schien.
    »Ich glaube, Sie haben ein paar Papiere hier, die Beverly Brown gehörten.« Er lächelte gewinnend, als habe er nicht etwa gerade die Pistole entsichert.
    Denn das mußte das leise, fremde Geräusch bedeutet haben. Mit offenem Mund glotzte sie die Pistole und Alan an. Und erstarrte vor Entsetzen.
    Vielmehr erstarrte ein Teil von ihr. Ihr pflichtbewußtes Ich flüsterte: Also, wie lange soll das nun wieder dauern?
    Ellen öffnete den Mund, heraus kam nichts. Schließlich sagte sie: »Was ist mit ihr? Was wollen Sie hier?« Sie machte ein paar Schritte rückwärts, die Kette schleifte über den Boden.
    Bisher hatte Alan die Kette nicht bemerkt. Nun legte er den Kopf zurück und lachte. »Die Dichterin am Werk?«
    Sie richtete sich auf, immer noch genug sie selbst, um sich zu wehren, und sagte das Übliche. »Es geht um eine Szene in meinem Buch. Ich spiele sie durch. Das tue ich oft. Bitte legen Sie die Pistole hin.« Ein Gedanke durchzuckte sie. »Weglaufen kann ich ohnehin nicht.« Sie versuchte, rotzig zu klingen, als sei er etwas schwer von Begriff.
    Wieder

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