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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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her.
    Marshall Trueblood entfernte einen Faden von seinem Jackettärmel (Wolle mit Seide). »Grundgütiger, liebe Mad-dy, jetzt machen Sie sich aber einfach zu schlecht.«
    »Maddy« war Truebloods liebevoller Kosename für Joanna Lewes, die Joanna the Mad, Johanna die Wahnsinnige, genannt wurde. Das hatte nichts mit ihrem Geisteszustand zu tun, sondern damit, daß ihr verstorbener Gatte zufällig Philip geheißen hatte. Joanna hatte es nicht unamüsant gefunden, daß König Philipp I. von Spanien seine Gemahlin Johanna in den Wahnsinn getrieben hatte und die geistig umnachtete Königin als Johanna die Wahnsinnige in die Geschichte eingegangen war.
    Wenn auch Joanna gerade ihre eigene Schreiberei herabgesetzt hatte - »romantischer Schuß« -, erfreute sich diese nichtsdestoweniger eines enormen kommerziellen Erfolgs. Was ihr peinlich zu sein schien. »Glauben Sie mir, Marshall, wenn die Leute Passion in Petersburg kaufen, kaufen sie jeden Schrott.« Joanna verwendete geographische Orte als Titel: Liebe in London, Magie in Mexiko, Florentinische Fantasien, Romanze in Rom. Zuletzt hatte sie St. Petersburg gewählt, und wenn man sie nach dem Schauplatz fragte, sagte sie: »Rußland, Florida - wen schert’s?«Vor langer Zeit hatte sie entdeckt, daß alle Wege nach Rom (und Petersburg) zugleich immer weiter vom Finanzamt wegführten. Obwohl Joanna nie davon Gebrauch machte, Reisen von der Steuer abzusetzen. Sie war zu sehr damit beschäftigt, über ausländische Liebesaffären zu schreiben, als daß sie auch noch ins Ausland hätte reisen können. Authentischer Hintergrund war nicht ihre Stärke.
    »Arbeiten Sie beide zusammen an etwas? Mir ist, als hätte ich Sie schreiben sehen.«
    »Nein - oh, nein«, sagte Melrose.
    Trueblood saugte an der Unterlippe. »Es ist nur ... mein Kontenbuch, wissen Sie. Vom Laden. Melrose hat mir bei den Eintragungen geholfen.«
    »Hoffentlich die Mehrwertsteuereinnahmen frisiert«, kicherte Joanna.
    Da die Herren vermeiden wollten, daß sich Gerüchte über die Existenz des schwarzen Notizbuchs verbreiteten, hatte Melrose es sofort vom Tisch gefegt und sich darauf gesetzt, als er gesehen hatte, wie Joanna näher kam. Das kleine Buch bereitete ihm einiges Ungemach. Er verlagerte sein Gewicht und ordnete die Bücher in dem Stapel neu; normalerweise saß er stundenlang im Jack and Hammer und las.
    Joanna zog die Bücher zu sich herüber und nahm sie unter die Lupe. Sie schaute sich die Schutzumschläge an, lächelte freundlich über Polly Praeds jüngsten Versuch, schien aber regelrecht begeistert über eines, das Fenster hieß. »Das«, sagte sie und klopfte mit den Fingern darauf, »ist faszinierend. Ein gutes Beispiel für einen minimalistischen Roman.« Fenster war Ellen Taylors neues Buch - das hieß, neu in England, in den Vereinigten Staaten war es schon vor zwei Jahren erschienen. Es war mitnichten der Brontesche, von Leidenschaften zerrissene Roman, den Melrose als Frucht ihrer Bekanntschaft mit den Mooren Yorkshires befürchtet hatte; es war auch nicht wie ihr vorheriges, Sauvage Savant, das drohte, das erste in einer Folge von fünfen über die Stadtteile New Yorks zu werden. Fenster war völlig anders. Ein Buch mit sieben Siegeln - für Melrose zumindest.
    »Minimalistisch?« sagte Melrose.
    »Minimalistisch?« wiederholte Marshall Trueblood, der nichts weniger als das war, zumindest, was sein Outfit betraf. Unter dem Armani-Jackett trug er ein schockpinkfar-benes Hemd mit einem irisierenden muschelrosa Streifen und eine Krawatte, die aussah, als habe man damit die Palette eines Malers abgewischt.
    »Ach, Sie wissen schon.« Joannas Aufmerksamkeit wurde von den beiden Frauen hinten im Pub gefangengenommen, Lavinia Vine und Alice Broadstairs.
    Melrose wußte nicht. Er wurde aus Ellens Geschichte absolut nicht schlau und war unfähig gewesen, auch nur einen einzigen intelligenten Satz dazu zu äußern, als er, heute nachmittag erst, mit ihr telefoniert hatte.
    Lavinia und Alice winkten Joanna an ihren Tisch. Long Piddletons passionierte Gärtnerinnen trafen sich hin und wieder im Pub zu Portwein und Keksen und lagen ansonsten in ständiger Fehde. Sie waren immer die ersten, die die neue Lewes kauften, und jetzt winkte Lavinia mit Passion in Petersburg, als sei es eine Signalflagge. Sie wollten es schließlich signiert haben.
    »Es überrascht mich nicht«, sagte Joanna über Ellen Taylors Buch, »daß es diesen Literaturpreis bekommen hat.«
    Das Nette an Joanna Lewes war nicht nur

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